| Zweiter Aufzug |
| Vorhalle des Palastes in der Hauptstadt des Reiches Arindals |
Chor | Chor der Krieger und des Volkes |
| Weh uns, wir sind geschlagen |
| und flüchtig vor dem Feind! |
| Schon tobt er vor den Mauern |
| und droht mit Untergang! – |
| Zu dir hinauf, o mächtger Gott, |
| tönt unser Ruf aus tiefer Not! |
| Erhöre uns und steh uns bei! |
| Uns drängt die Todesangst, |
| der Hilfe Ruf umsonst! |
| Verderben harret uns |
| und droht mit Qualentod! |
| Lora tritt auf in Waffenrüstung.
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Lora | Was drängt euch so mit harter Todesangst, |
| daß ihr mit solchem Schrei die Luft erfüllt?
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Chor | Geschlagen sind wir wieder, |
| dem Untergang geweiht!
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Lora | Kleinmütige! Warum sogleich verzagen? |
| Auf wen drängt sich mehr Missgeschick zusammen, |
| als auf mich selbst, die ich ein schwaches Weib? |
| Mein Vater starb, mein Bruder ist entfernt, |
| und selbst den teuren Freund muss ich vermissen! |
| Habt ihr vergessen Gromas Weissagung, |
| dass dieses Reich niemals verloren geh, |
| sobald uns Arindal zurückgekehrt?
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Chor | Doch wer sagt dies uns an, |
| dass je zurück er kehre?
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Lora | Sandt ich den teuren Morald selber nicht, |
| ihn aufzusuchen und zurückzubringen?
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Chor | Unglückliche! Wohl längst ist Arindal dahin!
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Lora | Was sagt ihr! Weh mir, wenn es möglich sei! |
| Ihr weckt des eignen Herzen trübe Anhnung: |
| sie kehrten nimmer mir zurück! |
| O musst du Hoffnung schwinden, |
| die du mein einz’ger Trost, |
| die mich in schweren Leiden |
| mit holdem Arm umfing! |
| Den Bruder bald zu sehen, |
| war mir ein froher Wahn;- |
| den Freund bald zu umarmen, |
| war höchste Wonne mir! |
| Und kehrte keiner wieder, – |
| welch qualenvoll Geschick! – |
| So müsst ich, ganz verlassen, |
| allein zu Grunde gehn! |
| Ein Bote tritt auf.
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Bote | Heil euch! Ich bringe frohe Kunde: |
| mit Arindal kehrt Morald uns zurück!
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Chor | Was sagt er? Gott, wär’s möglich?
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Lora | Kaum trau ich meinem Ohr! Wo sahst du sie?
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Bote | Ich zog mit aus, den König aufzusuchen, |
| wir fanden und bewogen ihn zur Rückkehr!
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Lora | Sie kehren mir zurück! |
| Wie fass ich mich vor hoher Freude! |
| Wie fass ich mich vor Wonneglut! |
| Den Busen fühl ich hoch sie heben, |
| und froh erbebt mein heisses Herz! |
| Den teuren Bruder soll ich sehn, |
| des Untergang ist schon beklagt! |
| Geliebter Freund, du kehrest wieder, |
| und eilst in deiner Treuen Arm!
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Chor | Welch hohe Freude wird uns wieder, |
| der Teure kehret uns zurück, |
| die Hoffnung soll uns wieder heben! |
| Voll Wonne atme jedes Herz! |
| Lora eilt ab und kommt mit Arindal und Morold zurück. |
| O König, sei gegrüsst von deinem treuen Volk! |
| Der Jubel wehrt dem Leid bei deiner Wiederkehr!
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Arindal | O hemmet dieses Jubels Töne, |
| mit Schreckensmahnung drängt er mich! |
| Denn ach! Zum reichen Königsmantel |
| wird mir des Vaters Grabgewand!
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Morald | O Lora, sieh, was ich versprochen, |
| das hielt ich trotz Gefahren dir: |
| den teuren Bruder bring ich wieder, |
| gedenkest du des süssen Lohns?
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Lora | O, welchen Lohn soll ich dir geben |
| für dieser Wonne Übermass! |
| Den Freund, den Bruder hab ich wieder: |
| Vorüber seh ich alles Leid!
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Morald | Ich seh dem Schicksal froh entgegen, |
| und fühle neu gerüstet mich; |
| Denn Rettung naht dem Vaterlande |
| und Liebe winkt in deinem Arm! |
| Dahin flieht alles Leiden |
| und alle Freuden ziehen ein! |
| Lass denn zum letzten Kampf uns schreiten, |
| der uns dem Glück entgegen führt!
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Arindal | Ich seh dem Schicksal bang entgegen |
| und fühle fast entmutigt mich; |
| so viele Not in Heimatlande |
| und neue Qual noch harret mein. |
| Wie trage ich wohl alle Leiden, |
| wie soll ich stark zum Kampfe sein! |
| Schon drückt die Gegenwart mich nieder, |
| die zu noch grösserm Schrecken führt! |
| Alle ab. |