Erster Aufzug | |||||||||||||||||||
Die Halle der Gibichungen am Rhein. – Diese ist dem Hintergrunde zu ganz offen; den Hintergrund selbst nimmt ein freier Uferraum bis zum Flusse hin ein; felsige Anhöhen umgrenzen das Ufer. | |||||||||||||||||||
Erste Szene | |||||||||||||||||||
Gunther und Gutrune auf dem Hochsitze zur Seite, vor welchem ein Tisch mit Trinkgerät steht; davor sitzt Hagen | 25 | Hagen | |||||||||||||||||
Gunther | Nun hör’, Hagen, sage mir, Held: | 20 | Gibichungen | ||||||||||||||||
sitz’ ich herrlich am Rhein, | 20 | ||||||||||||||||||
Gunther zu Gibichs Ruhm? | 20 | ||||||||||||||||||
Hagen | Dich echt genannten acht’ ich zu neiden: | 25 | Hagen | ||||||||||||||||
die beid’ uns Brüder gebar, | 20 | Gibichungen | |||||||||||||||||
Frau Grimhild’ hieß mich’s begreifen. | 59 | Ring | |||||||||||||||||
Gunther | Dich neide ich: nicht neide mich du! | ||||||||||||||||||
Erbt’ ich Erstlingsart, | 20 | Gibichungen | |||||||||||||||||
Weisheit ward dir allein: | 25 | Hagen | |||||||||||||||||
Halbbrüderzwist bezwang sich nie besser. | 20 | Gibichungen | |||||||||||||||||
Deinem Rat nur red’ ich Lob, | 25 | Hagen | |||||||||||||||||
frag’ ich dich nach meinem Ruhm. | 20 | Gibichungen | |||||||||||||||||
Hagen | So schelt’ ich den Rat, | 21 | 25 | Goldherrschaft Hagen | |||||||||||||||
da schlecht noch dein Ruhm; | |||||||||||||||||||
denn hohe Güter weiß ich, | 14 | Freia | |||||||||||||||||
die der Gibichung noch nicht gewann. | |||||||||||||||||||
Gunther | Verschwiegest du sie, | ||||||||||||||||||
so schelt’ auch ich. | |||||||||||||||||||
Hagen | In sommerlich reifer Stärke | ||||||||||||||||||
seh’ ich Gibichs Stamm, | |||||||||||||||||||
dich, Gunther, unbeweibt, | |||||||||||||||||||
dich, Gutrun’, ohne Mann. | |||||||||||||||||||
Gunther und Gutrune sind in schweigendes Sinnen verloren | |||||||||||||||||||
Gunther | Wen rätst du nun zu frein, | ||||||||||||||||||
daß unsrem Ruhm’ es fromm’? | |||||||||||||||||||
Hagen | Ein Weib weiß ich, | 20 | 91 | Gibichungen Walküre | |||||||||||||||
das herrlichste der Welt: | |||||||||||||||||||
auf Felsen hoch ihr Sitz; | 12 | Feuerzauber | |||||||||||||||||
ein Feuer umbrennt ihren Saal; | 88 | Waldvogel | |||||||||||||||||
nur wer durch das Feuer bricht, | 88 | ||||||||||||||||||
darf Brünnhildes Freier sein. | 88 | ||||||||||||||||||
Gunther | Vermag das mein Mut zu bestehn? | 91 | Walküre | ||||||||||||||||
Hagen | Einem Stärkren noch ist’s nur bestimmt. | 20 | 25 | Gibichungen Hagen | |||||||||||||||
Gunther | Wer ist der streitlichste Mann? | ||||||||||||||||||
Hagen | Siegfried, der Wälsungen Sproß: | ||||||||||||||||||
der ist der stärkste Held. | |||||||||||||||||||
Ein Zwillingspaar, | 93 | Wälsungen | |||||||||||||||||
von Liebe bezwungen, | 93 | ||||||||||||||||||
Siegmund und Sieglinde, | |||||||||||||||||||
zeugten den echtesten Sohn. | |||||||||||||||||||
Der im Walde mächtig erwuchs, | 65 | 29 | Schwert Horn | ||||||||||||||||
den wünsch’ ich Gutrun’ zum Mann. | |||||||||||||||||||
Gutrune | schüchtern beginnend | ||||||||||||||||||
Welche Tat schuf er so tapfer, | |||||||||||||||||||
daß als herrlichster Held er genannt? | |||||||||||||||||||
Hagen | Vor Neidhöhle den Niblungenhort | 106 | Wurm | ||||||||||||||||
bewachte ein riesiger Wurm: | |||||||||||||||||||
Siegfried schloß ihm den freislichen Schlund, | 11 | Fafner | |||||||||||||||||
erschlug ihn mit siegendem Schwert. | 11 | ||||||||||||||||||
Solch ungeheurer Tat | |||||||||||||||||||
enttagte des Helden Ruhm. | 65 | 29 | Schwert Horn | ||||||||||||||||
Gunther | in Nachsinnen | ||||||||||||||||||
Vom Niblungenhort vernahm ich: | 59 | Ring | |||||||||||||||||
er birgt den neidlichsten Schatz? | 59 | ||||||||||||||||||
Hagen | Wer wohl ihn zu nützen wüßt’, | 59 | |||||||||||||||||
dem neigte sich wahrlich die Welt. | 6 | Entsagung | |||||||||||||||||
Gunther | Und Siegfried hat ihn erkämpft? | 54 | Rheingold | ||||||||||||||||
Hagen | Knecht sind die Niblungen ihm. | 99 | 21 | Wehe Goldherrschaft | |||||||||||||||
Gunther | Und Brünnhild’ gewänne nur er? | 65 | Schwert | ||||||||||||||||
Hagen | Keinem andren wiche die Brunst. | 91 | Walküre | ||||||||||||||||
Gunther | unwillig sich vom Sitze erhebend | ||||||||||||||||||
Wie weckst du Zweifel und Zwist! | |||||||||||||||||||
Was ich nicht zwingen soll, | |||||||||||||||||||
darnach zu verlangen machst du mir Lust? | |||||||||||||||||||
Er schreitet bewegt in der Halle auf und ab. Hagen, ohne seinen Sitz zu verlassen, hält Gunther, als dieser wieder in seine Nähe kommt, durch einen geheimnisvollen Wink fest. | 20 | Gibichungen | |||||||||||||||||
Hagen | Brächte Siegfried die Braut dir heim, | 74 | 81 | Tarnhelm Vergessenheit | |||||||||||||||
wär’ dann nicht Brünnhilde dein? | |||||||||||||||||||
Gunther | wendet sich wieder zweifelnd und unmutig ab | 20 | Gibichungen | ||||||||||||||||
Was zwänge den frohen Mann, | 20 | ||||||||||||||||||
für mich die Braut zu frein? | 20 | ||||||||||||||||||
Hagen | wie vorher | ||||||||||||||||||
Ihn zwänge bald deine Bitte, | |||||||||||||||||||
bänd’ ihn Gutrun’ zuvor. | |||||||||||||||||||
Gutrune | Du Spötter, böser Hagen! | 82 | Verlockung | ||||||||||||||||
Wie sollt’ ich Siegfried binden? | 82 | ||||||||||||||||||
Ist er der herrlichste Held der Welt, | 82 | ||||||||||||||||||
der Erde holdeste Frauen | |||||||||||||||||||
friedeten längst ihn schon. | |||||||||||||||||||
Hagen | sehr vertraulich zu Gutrune hinneigend | ||||||||||||||||||
Gedenk’ des Trankes im Schrein; | 82 | Verlockung | |||||||||||||||||
heimlicher | 82 | ||||||||||||||||||
vertraue mir, der ihn gewann: | 82 | ||||||||||||||||||
den Helden, des du verlangst, | 82 | ||||||||||||||||||
bindet er liebend an dich. | 14 | 27 | 65 | Freia Hingebung Schwert | |||||||||||||||
Gunther ist wieder an den Tisch getreten und hört, auf ihn gelehnt, jetzt aufmerksam zu | |||||||||||||||||||
Träte nun Siegfried ein, | |||||||||||||||||||
genöss’ er des würzigen Tranks, | |||||||||||||||||||
daß vor dir ein Weib er ersah, | 74 | Tarnhelm | |||||||||||||||||
daß je ein Weib ihm genaht, | 74 | 14 | Freia | ||||||||||||||||
vergessen müßt’ er des ganz. | 81 | Vergessenheit | |||||||||||||||||
Nun redet: wie dünkt euch Hagens Rat? | 25 | 21 | Hagen Goldherrschaft | ||||||||||||||||
Gunther | lebhaft auffahrend | 25 | |||||||||||||||||
Gepriesen sei Grimhild’, | 20 | Gibichungen | |||||||||||||||||
die uns den Bruder gab! | 20 | ||||||||||||||||||
Gutrune | Möcht’ ich Siegfried je ersehn! | ||||||||||||||||||
Gunther | Wie suchten wir ihn auf? | 13 | Fluch | ||||||||||||||||
Ein Horn auf dem Theater klingt aus dem Hintergrunde von links her. Hagen lauscht | 29 | 25 | Horn Hagen | ||||||||||||||||
Hagen | Jagt er auf Taten wonnig umher, | 29 | |||||||||||||||||
zum engen Tann wird ihm die Welt: | 29 | ||||||||||||||||||
wohl stürmt er in rastloser Jagd | 29 | ||||||||||||||||||
auch zu Gibichs Strand an den Rhein. | 29 | ||||||||||||||||||
Gunther | Willkommen hieß’ ich ihn gern! | 29 | |||||||||||||||||
Horn auf dem Theater, näher, aber immer noch fern. Beide lauschen | 29 | ||||||||||||||||||
Vom Rhein ertönt das Horn. | 25 | Hagen | |||||||||||||||||
Hagen | ist an das Ufer gegangen, späht den Fluß hinab und ruft zurück | ||||||||||||||||||
In einem Nachen Held und Roß! | |||||||||||||||||||
Der bläst so munter das Horn! | 29 | Horn | |||||||||||||||||
Gunther bleibt auf halbem Wege lauschend zurück | 29 | 57 | Rheintöchtersang | ||||||||||||||||
Ein gemächlicher Schlag, | 29 | ||||||||||||||||||
wie von müßiger Hand, | 29 | ||||||||||||||||||
treibt jach den Kahn wider den Strom; | 29 | ||||||||||||||||||
so rüstiger Kraft in des Ruders Schwung | 29 | ||||||||||||||||||
rühmt sich nur der, der den Wurm erschlug. | 29 | 65 | Schwert | ||||||||||||||||
Siegfried ist es, sicher kein andrer! | 29 | 59 | Ring | ||||||||||||||||
Gunther | Jagt er vorbei? | ||||||||||||||||||
Hagen | durch die hohlen Hände nach dem Flusse rufend | ||||||||||||||||||
Hoiho! Wohin, | |||||||||||||||||||
du heitrer Held? | |||||||||||||||||||
Siegfried | seine Stimme aus der Ferne, vom Flusse her | ||||||||||||||||||
Zu Gibichs starkem Sohne. | |||||||||||||||||||
Hagen | Zu seiner Halle entbiet’ ich dich. | 20 | Gibichungen | ||||||||||||||||
Siegfried erscheint im Kahn am Ufer | |||||||||||||||||||
Hieher! Hier lege an! |