Götterdämmerung 3. Aufzug 3. Szene 1

Dritte Szene
Die Halle der Gibichungen Es ist Nacht. Mondschein spiegelt sich auf dem Rheine. Gutrune tritt aus ihrem Gemache in die Halle hinaus 24Gutrune
GutruneWar das sein Horn? 2999Horn
Sie lauscht 2999Wehe
Nein! – Noch kehrt er nicht heim. –
Schlimme Träume störten mir den Schlaf! 29Horn
Wild wieherte sein Roß; 91Walküre
Lachen Brünnhildes weckte mich auf.
Wer war das Weib,
das ich zum Ufer schreiten sah? 57Rheintöchtersang
Ich fürchte Brünnhild’! 5Brünnhilde
Ist sie daheim? 61Schicksal
Sie lauscht an der Tür rechts und ruft dann leise
Brünnhild’! Brünnhild’!
Bist du wach?
Sie öffnet schüchtern und blickt in das innere Gemach 5Brünnhilde
Leer das Gemach.
So war es sie,
die ich zum Rheine schreiten sah!
Sie erschrickt und lauscht nach der Ferne 28Hochzeitsruf
War das sein Horn?
Nein! – Öd’ alles!
Säh’ ich Siegfried nur bald! 2478Gutrune
Unheil
Sie will sich wieder ihrem Gemache zuwenden: als sie jedoch Hagens Stimme vernimmt, hält sie an und bleibt, von Furcht gefesselt, eine Zeitlang unbeweglich stehen

Hagen Seine Stimme, von außen sich nähernd
Hoiho! Hoiho! 7899Unheil
Wehe
Wacht auf! Wacht auf! 78
Lichte! Lichte! Helle Brände! 78
Jagdbeute bringen wir heim. 78
Hoiho! Hoiho! 7899Wehe
Licht und wachsender Feuerschein von außen
tritt in die Halle
Auf, Gutrun’! Begrüße Siegfried! 28Hochzeitsruf
Der starke Held, er kehret heim!

2826Helden
Gutrune im großer Angst
Was geschah? Hagen! 78Unheil
Nicht hört’ ich sein Horn!
Männer und Frauen, mit Lichtern und Feuerbränden, geleiten den Zug der mit Siegfrieds Leiche Heimkehrenden, unter denen Gunther

HagenDer bleiche Held, 73Sühne
nicht bläst er es mehr; 73
nicht stürmt er zur Jagd, 73
zum Streite nicht mehr, 73
noch wirbt er um wonnige Frauen.

27Hingebung
Gutrune mit wachsendem Entsetzen 29Horn
Was bringen die? 29
Der Zug gelangt in die Mitte der Halle, und die Mannen setzen dort die Leiche auf einer schnell errichteten Erhöhung nieder

67Siegfried
HagenEines wilden Ebers Beute: 99Wehe
Siegfried, deinen toten Mann.
Gutrune schreit auf und stürzt über die Leiche hin. Allgemeine Erschütterung und Trauer

Gunther bemüht sich um die Ohnmächtige
Gutrun’! Holde Schwester,
hebe dein Auge, schweige mir nicht!

Gutrune wieder zu sich kommend
Siegfried – Siegfried erschlagen! 75Tod
Sie stößt Gunther heftig zurück
Fort, treuloser Bruder,
du Mörder meines Mannes!
O Hilfe! Hilfe! Wehe! Wehe!
Sie haben Siegfried erschlagen!

GuntherNicht klage wider mich! 25Hagen
Dort klage wider Hagen.
Er ist der verfluchte Eber, 2529Hagen
Horn
der diesen Edlen zerfleischt’.

HagenBist du mir gram darum?

25Hagen
GuntherAngst und Unheil greife dich immer!

47Mord
Hagen mit furchtbarem Trotze herantretend
Ja denn! Ich hab’ ihn erschlagen! 71Speereid
Ich – Hagen – schlug ihn zu Tod. 71
Meinem Speer war er gespart, 73Sühne
bei dem er Meineid sprach. 73
Heiliges Beuterecht
hab’ ich mir nun errungen:
drum fordr’ ich hier diesen Ring.

59Ring
GuntherZurück! Was mir verfiel,
sollst nimmer du empfahn.

HagenIhr Mannen, richtet mein Recht!

59Ring
GuntherRührst du an Gutrunes Erbe, 59
schamloser Albensohn?

Hagen sein Schwert ziehend
Des Alben Erbe fordert so sein Sohn! 13Fluch
Er dringt auf Gunther ein, dieser wehrt sich; sie fechten. Die Mannen werfen sich dazwischen. Gunther fällt von einem Streiche Hagens darnieder 5999Ring
Wehe
Her den Ring! 21Goldherrschaft
Er greift nach Siegfrieds Hand; diese hebt sich drohend empor. Gutrune und die Frauen schreien entsetzt laut auf. Alles bleibt in Schauder regungslos gefesselt – Vom Hintergrunde her schreitet Brünnhilde fest und feierlich dem Vordergrunde zu

6522Schwert
Götterdämmerung
Brünnhilde noch im Hintergrunde 4822Natur
Schweigt eures Jammers 4822
jauchzenden Schwall! 4822
Das ihr alle verrietet, 4822
zur Rache schreitet sein Weib. 4822
Sie schreitet ruhig weiter vor 61Schicksal
Kinder hört’ ich greinen nach der Mutter,
da süße Milch sie verschüttet:
doch nicht erklang mir würdige Klage, 7661Todesklage
Schicksal
des hehrsten Helden wert.

76
Gutrune vom Boden heftig sich aufrichtend
Brünnhilde! Neiderboste!
Du brachtest uns diese Not:
die du die Männer ihm verhetztest,
weh, daß du dem Haus genaht!

BrünnhildeArmselige, schweig’! 24Gutrune
Sein Eheweib warst du nie, 24
als Buhlerin bandest du ihn. 24
Sein Mannesgemahl bin ich, 68Siegfriedliebe
der ewige Eide er schwur,
eh’ Siegfried je dich ersah.

Gutrune in jähe Verzweiflung ausbrechend
Verfluchter Hagen! 81Vergessenheit
Daß du das Gift mir rietest,
das ihr den Gatten entrückt!
Ach, Jammer!
Wie jäh nun weiß ich’s,
Brünnhilde war die Traute, 5Brünnhilde
die durch den Trank er vergaß! – 5
Sie wendet sich voll Scheu von Siegfried ab und beugt sich, im Schmerz aufgelöst, über Gunthers Leiche; so verbleibt sie regungslos bis zum Ende. Hagen steht, trotzig auf Speer und Schild gelehnt, in finsteres Sinnen versunken, auf der entgegengesetzen Seite 561Schicksal