| Zweiter Aufzug |
| Erste Szene |
| Nr. 4. Szene, Lied und Ballade |
| Ein geräumiges Zimmer im Hause Dalands. An den Seitenwänden Abbildungen von See Gegenständen, Karten usw. An der Wand im Hintergrunde das Bild eines bleichen Mannes mit dunklem Barte und in schwarzer Kleidung. Mary und die Mädchen sitzen um den Kamin herum und spinnen; Senta, in einem Großvaterstuhl zurückgelehnt und mit untergeschlagenen Armen, ist im träumerischen Anschauen des Bildes im Hintergrunde versunken. |
Mädchen | Summ’ und brumm’, du gutes Rädchen, |
| munter, munter, dreh’ dich um! |
| Spinne, spinne tausend Fädchen, |
| gutes Rädchen, summ’ und brumm’! |
| Mein Schatz ist auf dem Meere draus’, |
| er denkt nach Haus |
| ans fromme Kind; |
| mein gutes Rädchen, braus’ und saus’! |
| Ach! gäbst du Wind, |
| er käm’ geschwind. |
| Spinnt! Spinnt! Spinnt! |
| Fleißig, Mädchen! |
| Brumm’! Summ’! |
| Gutes Rädchen! |
| Tra la ra la la…
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Mary | Ei! Fleißig, fleißig! Wie sie spinnen! |
| Will jede sich den Schatz gewinnen.
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Mädchen | Frau Mary, still! Denn wohl Ihr wißt, |
| das Lied noch nicht zu Ende ist.
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Mary | So singt! Dem Rädchen läßt’s nicht Ruh’. |
| Du aber, Senta, schweigst dazu?
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Mädchen | Summ’ und brumm’, du gutes Rädchen, |
| munter, munter dreh’ dich um! |
| Spinne, spinne tausend Fädchen, |
| gutes Rädchen, summ’ und brumm’! |
| Mein Schatz da draußen auf dem Meer, |
| im Südener |
| viel Gold gewinnt; |
| ach, gutes Rädchen, saus’ noch mehr! |
| Er gibt’s dem Kind, |
| wenn’s fleißig spinnt. |
| Spinnt! Spinnt! |
| Fleißig, Mädchen! |
| Brumm’! Summ’! |
| Gutes Rädchen! |
| Tra la ra la…
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Mary | zu Senta |
| Du böses Kind, wenn du nicht spinnst, |
| vom Schatz du kein Geschenk gewinnst.
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Mädchen | Sie hat’s nicht not, daß sie sich eilt; |
| ihr Schatz nicht auf dem Meere weilt. |
| Bringt er nicht Gold, bringt er doch Wild – |
| man weiß ja, was ein Jäger gilt! |
| Senta singt leise eine Melodie aus der folgenden Ballade.
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Mary | Du seht ihr! Immer vor dem Bild! |
| zu Senta |
| Willst du dein ganzes junges Leben |
| verträumen vor dem Konterfei?
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Senta | Was hast du Kunde mir gegeben, |
| was mir erzählet, wer er sei? |
| Der arme Mann!
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Mary | Gott sei mit dir!
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Mädchen | Ei, ei! Ei, ei! Was hören wir! |
| Sie seufzet um den bleichen Mann!
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Mary | Den Kopf verliert sie noch darum!
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Mädchen | Da sieht man, was ein Bild doch kann!
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Mary | Nichts hilft es, wenn ich täglich brumm’! |
| Komm! Senta! Wend’ dich doch herum!
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Mädchen | Sie hört Euch nicht – sie ist verliebt! |
| Ei, ei! Wenn’s nur nicht Händel gibt! |
| Denn Erik hat gar heißes Blut – |
| daß er nur keinen Schaden tut! |
| Sagt nichts – er schießt sonst wutentbrannt, |
| den Nebenbuhler von der Wand! |
| Ha ha ha ha…
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Senta | O schweigt mit eurem tollen Lachen! |
| Wollt ihr mich ernstlich böse machen?
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Mädchen | Summ’ und brumm’, Du gutes Rädchen, |
| munter, munter dreh’ dich um! |
| Spinne, spinne tausend Fädchen! |
| Gutes Rädchen, summ’ und brumm’!
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Senta | O macht dem dummen Lied ein Ende, |
| es brummt und summt nur vor dem Ohr! |
| Wollt ihr, daß ich mich zu euch wende, |
| so sucht was besseres hervor!
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Mädchen | Gut, singe du!
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Senta | Hört, was ich rate; |
| Frau Mary singt uns die Ballade.
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Mary | Bewahre Gott! Das fehlte mir! |
| Den fliegenden Holläender laßt in Ruh’!
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Senta | Wie oft doch hört’ ich sie von dir.
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Mary | Bewahre Gott! Das fehlte mir!
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Senta | Ich sing’ sie selbst; hört, Mädchen, zu! |
| Laßt mich’s euch recht zum Herzen führen, |
| des Ärmsten Los, es muß euch rühren.
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Mädchen | Uns ist es recht.
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Senta | Merkt auf die Wort’.
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Mädchen | Dem Spinnrad Ruh’!
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Mary | ärgerlich |
| Ich spinne fort.
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Senta | Strophe I |
| Johohohe! Johohohe! Johohohe! Johohe! |
| Traft ihr das Schiff im Meere an, |
| blutrot die Segel, schwarz der Mast? |
| Auf hohem Bord der bleiche Mann, |
| des Schiffes Herr, wacht ohne Rast. |
| Hui! – Wie saust der Wind! – Johohoe! |
| Hui! – Wie pleift’s im Tau! – Johohe! |
| Hui! – Wie ein Pfeil fliegt er hin, |
| ohne Ziel, ohne Rast, ohne Ruh’! |
| Doch kann dem bleichen Manne |
| Erlösung einstens noch werden, |
| fänd’ er ein Weib, das bis in den Tod |
| getreu ihm auf Erden!.
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Senta | Ach! wann wirst du, bleicher Seemann, sie finden? |
| Betet zum Himmel, daß bald ein Weib |
| Treue ihm halt’! |
| Strophe II |
| Bei bösem Wind und Sturmes wut |
| umsegeln wollt’ er einst ein Kap; |
| er flucht’ und schwur mit tollem Mut: |
| In Ewigkeit laß’ ich nicht ab! |
| Hui! – Und Satan hört’s! – Johohe! |
| Hui! – nahm ihm bei’m Wort! – Johohe! |
| Hui! – und verdammt zieht er nun |
| durch das Meer ohne Rast, ohne Ruh’! |
| Doch, daß der arme Mann’ |
| noch Erlösung fände auf Erden, |
| zeigt’ Gottes Engel an, |
| wie sein Heil ihm einst könnte werden. |
| Ach, könntest du, bleicher Seemann, |
| es finden! |
| Betet zum Himmel, daß bald ein Weib |
| Treue ihm halt’! |
| Die Mädchen sind tief ergriffen und singen den Schlußreim leise mit. |
| Strophe III |
| Vor Anker alle sieben Jahr’, |
| ein Weib zu frei’n, geht er ans Land: |
| er freite alle sieben Jahr’, |
| noch nie ein treues Weib er fand. |
| Hui! – |
| Die Segel auf! |
| Johohe! |
| Hui! – |
| Den Anker los! |
| Johohe! |
| Hui! – |
| Falsche Lieb’, falsche Treu’, |
| Auf, in See, ohne Rast, ohne Ruh!
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Mädchen | Ach, wo weilt sie, |
| die dir Gottes Engel einst könnte zeigen? |
| Wo triffst du sie, |
| die bis in den Tod dein bleibe treu eigen?
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Senta | Ich sei’s, die dich durch ihre Treu’ erlöse! |
| Mög’ Gottes Engel mich dir zeigen! |
| Durch mich sollst du das Heil erreichen!
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Mary | Hilf, Himmel! Senta! Senta!
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Erik | ist eingetregen und hat Sentas Ausruf vernommen. |
| Senta! Willst du mich verderben?
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Mädchen | Helft, Erik, uns! Sie ist von Sinnen!
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Mary | Ich fühl das Blut in mir gerinnen! |
| Abscheulich’ Bild, du sollst hinaus, |
| kommt nur der Vater erst nach Haus!
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Erik | Der Vater kommt.
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Senta | Der Vater kommt?
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Erik | Vom Felsen seh sein Schiff ich nah’n.
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Mädchen | Sie sind daheim!
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Mary | Nun seht, zu was eu’r Treiben frommt! |
| Im Hause ist noch nichts getan.
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Mädchen | Sie sind daheim! Auf, eilt hinaus!
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Mary | Halt, halt! Ihr bleibet fein im Haus! |
| Das Schiffsvolk kommt mit leerem Magen. |
| In Küch’ und Keller Säumet nicht! |
| Laßt euch nur von der Neugier plagen – |
| vor allem geht an eure Pflicht!
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Mädchen | Ach! Wie viel hab’ ich ihn zu fragen! |
| Ich halte mich vor Neugier nicht. |
| Schon gut! Sobald nur aufgetragen, |
| hält hier aus länger keine Pflicht. |
| Mary treibt die Mädchen hinaus und folgt ihnen. |