Liebesverbot 1. Aufzug 1. Szene

Das Liebesverbot
Entstehung: 1834-1836
Première: Magdeburg 1836
Erster Aufzug
Erste Szene
Vorstadt mit Belustigungsörtern aller Art. Im Vordergrunde das Weinhaus Danielis. Großer Tumult. Eine Schar von Sbirren sind damit beschäftigt, in den Belustigungsörtern und Tabagien Verwüstungen anzurichten; sie reißen die Aushängeschilder herunter, zerschlagen Möbel und Gefäße, und so weiter. Der Chor des Volkes macht sich über sie her und sucht ihne Einhalt zu tun. Es kommt zu Schlägereien.
ChorIhr Galgenvögel, haltet ein,
ihr Schurken, laßt die Arbeit sein!
Schlagt auf sie los mit kräft’ger Faust,
bei Rock und Haar die Flegel zaust!
Luzio, Angelo und Antonio haben sich lachend aus dem Weinhaus herausgeschlagen.

Luzio lachend
Ha, ha, ha, ha! Das nenn’ ich Spaß!
Man schlug mir aus der Hand das Glas.

AntonioIch teilte wacker Prügel aus.

AngeloZum Teufel das verdammte Haus!

LuzioWer hat die Schufte hergeschickt?
Verwüstet wird, wohin man blickt!
Brighella mit mehreren Sbirren bringen Danieli, Pontio und Dorella als Gefangene aus dem Weinhaus.

ChorSeht nur, dort bringt man sie beim Kragen!

PontioFort, Kerl!

DanieliLaßt los!

DorellaWas für Betragen!

LuzioHelft mir, ich komm’ vor Lachen um!

DanieliIch schlag’ euch Arm und Beine krumm!

BrighellaNur vorwärts, liederliches Pack,
hat man mit euch doch Not und Plack!

DorellaLaßt mich, ich folge keinen Schritt;
o heil’ge Jungfrau, welche Scham!

BrighellaBringt mir die heil’ge Jungfrau mit!

ChorLaßt los, was haben sie getan?

DorellaAch, Luzio, helft mir, steht mir bei!
Ihr schwurt mir ja beständig Treu’,
und ich zog euch auch allen vor;
ich schenk’ euch gern das Eh’versprechen,
nur macht mich frei von diesen Frechen,
und haut sie tüchtig über’s Ohr!

LuzioPotztausend, welch ein großes Glück!
Das Eh’versprechen ging zurück!
zu Brighella
Nun denn, mein Freund, so laßt sie frei!

BrighellaNichts da! Marsch fort! Wollt ihr gleich weichen!

LuzioLaßt los, wenn’s euch geraten sei!

BrighellaPackt diesen Bengel sondergleichen!

LuzioZurück, ihr Lümmel, wollt ihr’s wagen!
zum Volk
Ihr Freunde, wacker zugeschlagen!
Faßt an, und jagt sie in die Stadt!

ChorWir sind der Übermüt’gen satt!

AntonioWas für Befehl befolgt ihr hier?

LuzioWas für Befehl? Antworte mir!

DorellaWas führt ihr uns gefangen fort?

ChorWas haust ihr so an diesem Ort,
was haust ihr so?

LuzioWas für Befehl? Antworte mir!

AlleAntwortet schnell, was für Befehl?

Brighella er zieht ein großes Pergament hervor
Halt! Hier ist der Befehl!
spricht
Bitte tausendmal um Entschuldigung,
Signor, bitte tausendmal um Entschuldigung,
daß ich nicht früher so klug war!
Ich danke für die gütige Erinnerung.
singt
Tambour, so trommle denn zur Ruh,
und ihr hört mir gelassen zu!
Der Tambour rührt nach allen vier Seiten hin die Trommel.

AlleSeid still! Was mag das wieder sein?
Was Neu’s von Friedrichs Alberei’n!

Brighella liest das Gesetz vor
«Wir, tief entwürdigt durch das greuliche
Überhandnehmen abscheulicher Liederlichkeiten
und Lasterhaftigkeiten in unserer gottlosen
und verderbten Stadt, fühlen uns zur Wiederherstellung
eines reineren und gottgefälligeren Wandels,
sowie zur Verhütung größerer Ausschweifungen bewogen,
mit exemplarischer Strenge den Grund und
die Wurzel des Übels zu vertilgen.
Wir befehlen kraft der uns verliehenen Gewalt hiermit:
Der Karneval, dieses üppige und lasterhafte Fest,
ist aufgehoben, und bei Todesstrafe
jede Gebräuchlichkeit desselben verboten;
alle Wirtschaften und Belustigungsörter sollen
aufgehoben und geräumt werden,
und jedes Vergehen des Trunkes sowie der Liebe
werde fortan mit dem Tode bestraft.
In namen des Königs sein Statthalter Friedrich.»

Alle lachend
Ha ha ha ha! Welch neuer Spaß!

LuzioNun weiß man doch, woran man ist!
Es lebe Friedrichs Majestät!

AlleEr lebe hoch, der gute Christ!

BrighellaGott, welche Frechheit nehm’ ich wahr!

DorellaJetzt wird die Sache spaßhaft gar!

LuzioWas, keine Liebe, keinen Wein,
und endlich gar kein Karneval!

Alle außer Brighella
Der deutsche Narr, auf, lacht ihn aus,
das soll die ganze Antwort sein;
schickt ihn in seinen Schnee nach Haus,
dort laßt ihn keusch und nüchtern sein.

BrighellaJetzt wird’s zu toll, ich halt’s nicht aus!
Kann man so frech und schamlos sein!
Bin ich aus dem Gedräng’ heraus,
dann laß ich nie mich wieder ein!
Claudio wird von mehreren Sbirren als Gefangener gebracht.

AntonioWen bringt man dort? Seht hin!

LuzioWas ist? ’s ist Claudio! Was, gefangen!

ClaudioGefangen! s’ist das Schlimmste nicht,
fragt nur noch weiter, und gar bald erfahrt ihr,
was mir nicht lieb!

LuzioSprich doch, was legt man dir zur Last?

ClaudioSo viel nur, mir den Tod zu geben!

LuzioDen Tod?

AlleDen Tod! Ha, wen erschlug er?

LuzioBegingst du Hochverrat?

AlleHochverrat?

ClaudioNicht doch! – Ich liebte nur!

LuzioDu liebtest nur? Und nun?

ClaudioKennst du es nicht, des Toren Friedrichs neu Gesetz?

LuzioIch lache drüber, tu es auch!

ClaudioSchon morgen! – Lache, wer da kann!

AlleSchon morgen! Gott! Weil er geliebt!
Das ist zu viel, das ist zu toll!

ClaudioDorella? Wie? So treff’ ich dich?
Wie kamst du hierher, sprich?

DorellaAch, Claudio, zwar seid ihr selbst in Not,
doch seht, auch ich bin wahrlich schlimm daran;
als Isabella, eure Schwester,
ins Kloster als Novize trat,
entließ sie mich aus ihrem Dienst; –
in jenem Weinhaus dient’ ich nun,
und heute werde ich mit allen
gefangen und davongeführt.

ClaudioDu warst mir lieb und tust mir leid,
ich helf’ dir gern, wenn mir man hilft!

LuzioWas ist zu tun? Ich glaub’ doch kaum,
daß es ernst dem Statthalter ist!

AntonioWenn auch, wir wollen ihn befrein!

ClaudioIhr kennt nicht Friedrichs Festigkeit!

LuzioDen Narren, ja, ich kenne ihn!
Nicht warmes Fleisch, noch warmes Blut
schließt seine steife Seele ein;
der König kennt wohl seine Treue,
den strengen, unbeugsamen Sinn,
und setzt ihn deshalb über uns.

ClaudioEr ist ein Ehrenmann!

LuzioEin Narr!
Mag er in unsrer heißen Luft
vor Frost vergehn, wir bleiben heiß,
und fürchten soll er unsre Glut!

ClaudioDer fürchtet nichts! Nur Eines bleibt,
wovon ich Rettung hoffen kann, –
hör mich, mein Luzio! –
Du kennest jenen stillen Ort,
das Kloster der Elisabeth;
die treue Schwester weilet dort
und weiht sich einsamem Gebet!
O eile, Freund, zu ihr dahin,
sprich sie um Hilfe für mich an,
das Schwesterflehn den harten Sinn
erweiche diesem kalten Mann!
Sag ihr, wenn auch ein Fehler sei,
was ich beging, ich mach’ ihn gut;
bewege sie, daß sie verzeih’,
dann bau’ ich ganz auf ihren Mut!

AlleWo soll das noch mit allem hin,
vor Wut und Ärger glühen wir!
Wut und Verzweiflung kocht in mir!
So eines einz’gen Narren Sinn
raubt alle Lust und Freiheit hier!

LuzioZu deiner Schwester eil’ ich hin,
durch sie bereit’ ich Rettung dir.
Erweicht ihr Fleh’n nicht seinen Sinn,
so kommt die Hilfe dir von mir.
Von mir dir Rettung!
Ich eile, Freund, zu ihr dahin!

ClaudioAllein von ihr!
O eile, Freund, zu ihr dahin,
denn Rettung kommt allein von ihr!
Ich kenne ihren klugen Sinn
und ihre Treu’ bringt Hilfe mir!
Nur von ihr kommt Rettung!
O eile, Freund, zu ihr dahin,
nur ihre Treu’ bringt Hilfe mir!

BrighellaWie bring’ ich nach der Stadt sie hin,
das Volk scheint sehr verdächtig mir!
Ihr Droh’n verwirrt mir ganz den Sinn,
ach, ich wollt’, ich wär’ hinweg von hier!
Alles zerstreut sich nach und nach im Tumult. Brighella und die Sbirren brechen sich mit ihren Gefangenen mit großer mühe Bahn durch das Volk.