| Isabella tritt mit Luzio auf und bricht sich Bahn. |
Isabella | Erst noch mich! – Ich bin die Schwester!
|
Dorella | Ha, seine Schwester, hört sie an!
|
Luzio | Hier seine Schwester, hört sie an!
|
Claudio | Du nur allein kannst mich erretten!
|
Luzio | Sie ist der Gott, der dich befreit!
|
Isabella | Was ich vermag als treue Schwester, |
| sei deiner Rettung ganz geweight! – |
| Ich bitt’ euch, Herr, um ein Gehör; |
| doch laßt die Andern sich entfernen!
|
Friedrich | Nichts nützen Weibertränen mehr. |
| Doch sei’s! – Ihr aber, – bleibet hier!
|
Isabella | Laßt sie entfernen; zu eurem Herzen, |
| zu eurem Amt nicht will ich sprechen.
|
Friedrich | Es geht nicht an!
|
Isabella | voll Spott |
| Ihr fürchtet euch vor einem Weibe?
|
Friedrich | aufbrausend, schnell |
| Entfernet euch!
|
Alle | Entfernet euch, laßt sie allein; |
| Gott möge ihr den Sieg verleihn! |
| Alle gehen ab außer Friedrich und Isabella.
|
Friedrich | Wohlan, so rede! Was hast du zu sagen?
|
Isabella | Kennst du das Leid der Elternlosen, |
| die um des Bruders Leben fleht, |
| du könntest nie zurück sie stoßen, |
| die trostlos dann verlassen steht! |
| O, öffne der Schwesterliebe dein Herz, |
| Löse durch Gnade meinen Schmerz!
|
Friedrich | Die Schwesterliebe ehre ich, |
| doch Gnade hab’ ich nicht für dich! –
|
Isabella | Du schmähest jene andre Liebe, |
| die Gott gesenkt in unsre Brust; |
| o wie so öde das Leben bliebe, |
| gab er nicht Liebe und Liebeslust! |
| Dem Weib gab Schönheit die Natur, |
| dem Manne Kraft, sie zu genießen, |
| ein Tor allein, ein Heuchler nur |
| sucht sich der Liebe zu verschließen! |
| O, öffne der Erdenliebe dein Herz, |
| und löse durch Gnade meinem Schmerz!
|
Friedrich | Wie warm ihr Atem, wie beredt ihr Ton; – |
| bin ich ein Mann? Weh’ mir, ich wanke schon!
|
Isabella | O, war dein Herz denn stets verschlossen, |
| drang Liebe nie in deine Brust, |
| hat dich ihr Zauber nie umflossen |
| mit ihrem Leid und ihrer Lust? |
| Wenn je es einem Weib gelungen, |
| zu rühren deinen kalten Sinn, |
| hat je ein Arm dich fest umschlungen, |
| gabst je du dich der Liebe hin, |
| o, so öffne dem Flehen jetzt dein Herz, |
| löse durch Gnade meinen Schmerz!
|
Friedrich | Aus ihrem Munde dies zu hören, |
| es ist zu viel! Mir wallt das Blut, |
| ich bin mir meiner nicht bewußt.
|
Isabella | O Gnade, Gnade meinem Bruder!
|
Friedrich | Dahingeschmolzen ist das Eis, |
| vor ihrem Atem flieht mein Stolz! – |
| Steh auf, laß mich zu deinen Füßen!
|
Isabella | Nicht eher, bis du Gnade spendest!
|
Friedrich | Dein Bruder, er ist frei! Doch du, |
| die tausendfache Glut mir weckte, |
| wie löschest du die Flamme mir?
|
Isabella | Ha, was soll das?
|
Friedrich | Du hast in mich |
| niemals geahnte Glut gehaucht; |
| die Liebe, die du mir verkündet, |
| faß ich mit heißer Glut zu dir! |
| Frei ist dein Bruder, wenn du selbst |
| mich lehrst, wie himmlisch sein Verbrechen!
|
Isabella | O Gott, was hör ich? Ha, so weit |
| ging dieses Frechen Heuchelei! |
| Was willst du? Nenn es deutlich mir!
|
Friedrich | Die höchste Liebesgunst von dir, |
| und frei, frei ist dein Bruder Claudio!
|
Isabella | Ha, Schändlicher, Abscheulicher! Herbei! Herbei! |
| Sie schreit nach den Fenstern und Türen. |
| Herbei, betrognes Volk, herbei! |
| Sprengt alle Tore, hört mich an! |
| Herbei, herbei! |
| Ich will den Frechsten aller Heuchler |
| vor euren Augen euch entlarven!
|
Friedrich | Weib, bist du rasend?
|
Isabella | Du hältst mich nicht!
|
Friedrich | Was willst du?
|
Isabella | Herbei, herbei, Palermo’s Volk, |
| eilt, eilt herbei! |
| Alle stürzen in Verwirrung zum Saale und auf die Galerien herein.
|
Alle | Was ist geschehn, was soll das Schrei’n?
|
Isabella | Ich nenne einen Heuchler euch!
|
Friedrich | Bedenke, was du tust!
|
Alle | Wo soll das hin, was ficht sie an?
|
Isabella | Ich will enthüllen diesen Gleisnerstolz!
|
Friedrich | Hör mich!
|
Alle | Wo führt das hin? Was gibt’s?
|
Isabella | Erkennen sollt ihr ihn, den frechen Bösewicht! |
| Herbei!
|
Alle | Was ficht sie an, was ist’s? |
| Sprecht, was geschah?
|
Friedrich | Bedenke, was du tust! |
| Hör mich! Halt ein! Du sprichst umsonst! |
| Er drückt sie gewaltsam auf die Seite. |
| Bedenke wohl, wer ich bin, |
| und wie du erscheinst!
|
Isabella | Laß mich, Elender!
|
Friedrich | Hör mich an! |
| Du Törin, sprich, wer wird dir glauben? |
| Den Antrag gebe ich sogleich |
| für eine List aus, deine Tugend, |
| ob sie so echt sei, zu erforschen!
|
Isabella | Ha, wie verrucht! Ich straf’ dich Lügen!
|
Friedrich | Verkündetest du Härte, Strenge, |
| ja, sprächest du von Grausamkeit, |
| so würde man dir eher glauben. |
| Doch sprächest du von Liebe, |
| wird man nur lachen.
|
Isabella | O Himmel, er besiegt mich!
|
Friedrich | Still, sei denn gescheit, und schweige jetzt, |
| zu deinem Unglück sprächst du nur! |
| Isabella sinkt stumm zusammen. Der Chor und die übrigen nähern sich ihr teilnahmsvoll.
|
Alle | Sprich, Isabella, was ist dir? |
| Du riefst nach uns, und wir sind hier! |
| Isabella weist sie mit einer stummen Gebärde zurück. |
| Du schweigst! Wie sollen wir das deuten? |
| Sie schweigt in stummem Schmerz, |
| was hat er ihr vertraut? |
| Verwundrung erfüllt mein Herz, |
| dem’s vor der Lösung graut.
|
Friedrich | Ha, wie verklärt der Schmerz |
| die schöne Himmelsbraut. |
| Vor Wollust erbebt mein Herz, |
| da ich sie so geschaut!
|
Brighella | Es war gewiß kein Scherz, |
| was er ihr hat vertraut!
|
Isabella | Vor Wut und Scham glühn meine Wangen, |
| bin ich so elend, bin ich so schwach! |
| O, wie könnt’ ich ihn wohl vernichten! |
| Enthüllen seine Heuchelei! |
| Wenn ich ihn überführen könnte, |
| und durch sein eignes Gesetz, |
| das frech er höhnet, ihn bestrafen? |
| Doch sollt’ ich selbst das Opfer sein?! – |
| O du betrogne Mariana! |
| Mariana! Mariana! – |
| Sie springt von einem plötzlichen Gedanken ergriffen, schnell auf. |
| Mariana; – wie, o Götterlicht! |
| Ha, wie begeistert mich die List! |
| Statt meiner send’ ich ihm sein Weib, |
| ich überführ’ ihn durch die Tat, |
| und feßle ihn an die Verlaßne! |
| Triumph, Triumph! Du bist gefangen, |
| ein Weib lockt dich ins eigne Netz!
|
Friedrich | Nun, Isabella, sprich, wozu |
| bist du entschlossen? Säume nicht!
|
Isabella | Du hast mich mächtig überwältigt, |
| was kann ich tun, ein schwaches Weib!
|
Friedrich | Du gehst zurück, ich dürfte hoffen?
|
Isabella | Kann ich es ändern, muß ich nicht?
|
Friedrich | Du versprichst mir? |