| Zweiter Aufzug |
| Erste Szene |
| Gefangnisgarten |
Claudio | allein |
| Wo Isabella bleibt; – sie wird das Schicksal, |
| das meiner harret, mir verkünden! – Tod? |
| O meine Julia, sollt’ ich scheiden |
| von dir und deinem Schmerz, |
| trostlos allein in deinen Leiden |
| bräch’ auch dir das Herz! |
| Isabella kommt. |
| Ach, Isabella, teures Leben, |
| o rede schnell, was bringst du mir?
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Isabella | Ein schönes Los bereit’ ich dir, |
| sei Held und Retter meiner Ehre!
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Claudio | Was muß ich hören?
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Isabella | So vernimm! |
| Ein Scheusal, ein Tyrann ist der, |
| der das Gesetz gab, das dich mordet; |
| kein größrer Heuchler wird gefunden |
| als Friedrich selbst. Hör, was geschah: |
| zu seinen Füßen sah er mich |
| und faßte frevelhafte Glut; |
| und um den Preis meiner Entehrung |
| versprach er Gnad’ und Leben dir!
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Claudio | Ha, niederträchtig, welch ein Schurke!
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Isabella | beiseite |
| So recht, zwar fest steht meine List, |
| doch um zu prüfen seine Stärke, |
| ob er das Leben auch verdient, |
| verschweig’ ich ihm, was ich ersonnen!
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Claudio | O Isabella, welche Schande!
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Isabella | Claudio, ertrügest du die Schmach?
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Claudio | Um solches Opfer sollt’ ich leben!
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Isabella | Für meine Ehre stirb als Held!
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Claudio | Ha, welch ein Mut begeistert mich!
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Isabella | Es harret dein der schönste Lohn!
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Claudio | Ha, welch ein Tod für Lieb’ und Ehre, |
| ihm weih’ ich meine Jugendkraft, |
| für die erhabne Heldenehre |
| glüh’ ich in hoher Leidenschaft! |
| Für meines gäbst du gern dein Leben, |
| doch für die Ehre sterbe ich! |
| Ich ende so mein männlich Streben, |
| und hoher Lohn erwartet mich!
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Isabella | Dem schönen Tod für Lieb’ und Ehre, |
| ihm weiht er seine Jugendkraft; |
| für die erhabne Heldenehre |
| glüht er in hoher Leidenschaft! |
| Wohlan, so rett’ ich gern dein Leben, |
| für deine Freiheit stürbe ich; |
| für dieses männlich schöne Streben |
| erwartet Glück und Freude dich!
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Claudio | Ha, welch ein Tod für Lieb’ und Ehre, |
| ihm weih’ ich meine Jugendkraft, |
| für die erhabne Heldenehre |
| glüh’ ich in hoher Leidenschaft! |
| Für meines gäbst du gern dein Leben, |
| doch für die Ehre sterbe ich; |
| ich ende so mein männlich Streben, |
| und hoher Lohn erwartet mich!
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Isabella | Mein Bruder, nun, so höre mich!
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Claudio | Isabella, ich umarme dich! |
| Leb wohl, nimm diesen Abschiedskuß; |
| so büße ich das schöne Leben, |
| von dem ich sterbend scheiden muß!
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Isabella | Ermanne dich!
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Claudio | Könnt’ ich sie sehn, |
| eh’ mich der düstre Tod umhüllt, |
| der Tod mit seinem kalten Schauer, |
| der alle Lust und Freude knickt, |
| die dieses Leben schön geschmückt!
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Isabella | Was ficht dich an?
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Claudio | Weil ich geliebt, – |
| o, es ist hart, ach Isabella!
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Isabella | Bei Gott, was soll’s?
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Claudio | Du lebst im Kloster, |
| und kennst sie nicht, die schöne Welt.
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Isabella | Claudio!
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Claudio | O Schwester, mach mich frei!
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Isabella | Weh mir, was höre ich? Durch Schande?
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Claudio | Verdammst du mich, weil ich gefehlt? |
| ’s ist so gering, des Bruders Leben!
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Isabella | Meinst Du? Und einer Schwester Ehre? |
| Ha, feiger, ehrvergeßner Wicht, |
| Elender, und mein Bruder nicht!
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Claudio | O Schwester!
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Isabella | Nicht erbarmenswert; |
| so hast du Mut und Kraft bewährt!
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Claudio | Hör mich, ’s war nur ein Augenblick!
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Isabella | Schwachmüt’ger, weich von mir zurück!
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Claudio | Sieh meine Reu’!
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Isabella | Ich glaub’ ihr nicht! |
| He, Schließer, eile an dein Amt; |
| schließ den Gefangnen wieder ein! |
| Pontio als schließer kommt mit einigen Bütteln herbei.
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Claudio | Was tust du?
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Pontio | Fort, Signor!
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Claudio | Laß los!
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Isabella | Bringt ihn von dannen!
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Pontio | He, ihr Leute, her, ihr Leute!
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Claudio | O Schwester, sieh auf meine Reue! |
| Schon bin ich ja wieder ganz ermannt! |
| Daß ich den Tod jetzt nicht mehr scheue – |
| sag’ dir die Glut, die mir entbrannt!
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Isabella | Nicht acht’ ich mehr auf deine Reue! |
| Die Feigheit hat dich ganz entmannt! |
| Los sag’ ich mich der Schwestertreue! |
| Ich habe niemals dich gekannt!
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Claudio | O Schwester, Isabella! |