| Fünfte Szene |
| Der König, Lohengrin und die sächsischen Grafen und Edlen sind in feierlichem Zuge aus dem Palas getreten; durch die Verwirrung im Vordergrunde wird der Zug unterbrochen. |
Die Brabanter | Heil! Heil dem König! |
| Der König und Lohengrin dringen durch die verwirrten Haufen des Vordergrundes lebhaft vor |
| Heil dem Schützer von Brabant!
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König Heinrich | Was für ein Streit?
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Elsa | sehr aufgeregt an Lohengrins Brust stürzend |
| Mein Herr! O mein Gebieter!
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Lohengrin | Was ist?
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König Heinrich | Wer wagt es hier, den Kirchengang zu stören?
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Des Königs Gefolge | Welcher Streit, den wir vernahmen?
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Lohengrin | Ortrud erblickend |
| Was seh’ ich! Das unsel’ge Weib bei dir?
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Elsa | Mein Retter! Schütze mich vor dieser Frau! |
| Schilt mich, wenn ich dir ungehorsam war! |
| In Jammer sah ich sie vor dieser Pforte, |
| aus ihrer Not nahm ich sie bei mir auf. |
| Nun sieh, wie furchtbar sie mir lohnt die Güte: |
| Sie schilt mich, daß ich dir zu sehr vertrau’!
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Lohengrin | den Blick fest und bannend auf Ortrud heftend, welche vor ihm sich nicht zu regen vermag |
| Du fürchterliches Weib, steh ab von ihr! |
| Hier wird dir nimmer Sieg! |
| Er wendet sich freundlich zu Elsa. |
| Sag, Elsa, mir, |
| vermocht ihr Gift sie in dein Herz zu gießen? |
| Elsa birgt ihr Gesicht weinend an seiner Brust. Lohengrin richtet sie auf und deutet nach dem Münster. |
| Komm, laß in Freude dort diese Tränen fließen! |
| Er wendet sich mit Elsa und dem König dem Zuge voran nach dem Münster, alle lassen sich an, wohlgeordnet zu folgen.
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Friedrich | tritt auf der Treppe des Münsters hervor; die Frauen und Edelknaben, als sie ihn erkennen, weichen entsetzt aus seiner Nähe |
| O König! Trugbetörte Fürsten! Haltet ein!
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König Heinrich | Was will der hier?
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Die Männer | Was will der hier? |
| Verfluchter! Weich von dannen!
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Friedrich | O hört mich an!
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Die Männer | Hinweg! |
| Zurück!
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König Heinrich | Zurück! |
| Weiche von dannen!
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Die Männer | Du bist des Todes, Mann!
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Friedrich | Hört mich, dem grimmes Unrecht ihr getan!
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König Heinrich | Hinweg!
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Die Männer | Hinweg! Weich von dannen!
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Friedrich | Gottes Gericht, es ward entehrt, betrogen! |
| Durch eines Zaubrers List seid ihr belogen!
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König Heinrich | Greift den Verruchten!
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Die Männer, Frauen und Knaben | Greift den Verruchten! |
| Hört! Er lästert Gott! |
| Sie dringen von allen Seiten auf ihn ein
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Friedrich | mit der fürchterlichsten Anstrengung, um gehört zu werden, seinen Blick nur auf Lohengrin geheftet und der Andringenden nicht achtend |
| Den dort im Glanz ich vor mir sehe, |
| den klage ich des Zaubers an! |
| Die Andringenden schrecken vor Friedrichs Stimme zurück und hören endlich aufmerksam zu. |
| Wie Staub vor Gottes Hauch verwehe |
| die Macht, die er durch List gewann! |
| Wie schlecht ihr des Gerichtes wahrtet, |
| das doch die Ehre mir benahm, |
| da eine Frag’ ihr ihm erspartet, |
| als er zum Gotteskampfe kam! |
| Die Frage nun sollt ihr nicht wehren, |
| daß sie ihm jetzt von mir gestellt: |
| In gebieterischer Stellung. |
| Nach Namen, Stand und Ehren |
| frag’ ich ihn laut vor aller Welt! |
| Bewegung großer Betroffenheit unter allen |
| Wer ist er, der ans Land geschwommen, |
| gezogen von einem wilden Schwan? |
| Wem solche Zaubertiere frommen, |
| dess’ Reinheit achte ich für Wahn! |
| Nun soll der Klag’ er Rede stehn’; |
| vermag er’s, so geschah mir recht – |
| wo nicht, so sollet ihr ersehn, |
| um seine Reine steh’ es schlecht! |
| Alle blicken bestürzt und erwartungsvoll auf Lohengrin.
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König Heinrich | Welch harte Klagen! |
| Was wird er ihm entgegnen?
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Lohengrin | Nicht dir, der so vergaß der Ehren, |
| hab’ not ich Rede hier zu stehn! |
| Des Bösen Zweifel darf ich wehren, |
| vor ihm wird Reine nie vergehn!
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Friedrich | Darf ich ihm nicht als würdig gelten, |
| dich ruf ich, König, hoch geehrt! |
| Wird er auch dich unadlig schelten, |
| daß er die Frage dir verwehrt?
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Lohengrin | Ja, selbst dem König darf ich wehren |
| und aller Fürsten höchstem Rat! |
| Nicht darf sie Zweifels Last beschweren, |
| sie sahen meine gute Tat! |
| Nur eine ist’s, der muß ich Antwort geben: |
| Elsa – |
| Er hält betroffen an, als er, sich zu Elsa wendend, diese mit heftig wogender Brust in wildem innerem Kampfe vor sich hinstarren sieht. |
| Elsa! Wie seh’ ich sie erbeben!
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König Heinrich | Welch ein Geheimnis muß der Held bewahren?
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Ortrud | In wildem Brüten darf ich sie gewahren, |
| der Zweifel keimt in ihres Herzens Grund!
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Lohengrin | In wildem Brüten muß ich sie gewahren!
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König Heinrich | Bringt es ihm Not, so wahr’ es treu sein Mund!
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Friedrich | Der Zweifel keimt in ihres Herzens Grund.
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Lohengrin | Hat sie betört des Hasses Lügenmund?
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Elsa | der Umgebung entrückt vor sich hinblickend |
| Was er verbirgt, wohl brächt’ es ihm Gefahren, |
| vor aller Welt spräch’ es hier aus sein Mund; |
| die er errettet, weh mir Undankbaren, |
| verriet’ ich ihn, daß hier es werde kund.
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Die Frauen und Knaben | Bringt sein Geheimnis ihr Not, |
| so wahr’ es treu sein Mund!
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König Heinrich | Bringt ihm sein Geheimnis Not, |
| so wahr’ es treu sein Mund!
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Lohengrin | In wildem Brüten muß ich sie gewahren!
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Ortrud | In wildem Brüten darf ich sie gewahren!
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Lohengrin | O Himmel, schirm ihr Herz vor den Gefahren! |
| Nie werde Zweifel dieser Reinen kund! usw.
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König Heinrich | Wir schirmen ihn, den Edlen, vor Gefahren; |
| durch seine Tat ward uns sein Adel kund! usw.
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Elsa | Wüßt’ ich sein Los, ich wollt’ es treu bewahren! |
| Im Zweifel doch erbebt des Herzens Grund! usw.
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Ortrud | Er ist besiegt, besiegt ist dieser Held, |
| der mir zur Not in dieses Land gefahren, |
| er ist besiegt, wird ihm die Frage kund! usw.
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Die Frauen und Knaben | Bringt ihr sein Geheimnis Not, |
| so bewahr’ es treu sein Mund! usw.
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König Heinrich | Mein Held, entgegne kühn dem Ungetreuen! |
| Du bist zu hehr, um, was er klagt, zu scheuen!
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Sächsische / brabantische Edle | sich an Lohengrin drängend |
| Wir stehn zu dir, es soll uns nie gereuen, |
| daß wir der Helden Preis in dir erkannt! |
| Reich uns die Hand! Wir glauben dir in Treuen, |
| daß hehr dein Nam’, wenn er auch nicht genannt! usw.
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Lohengrin | Euch Helden soll der Glaube nicht gereuen, |
| werd’ euch mein Nam’ und Art auch nie genannt! usw. |
| Während Lohengrin, von den Männern, in deren dargereichte Hand er jedem einschlägt, umringt, etwas tiefer im Hintergrund verweilt, drängt sich Friedrich an Elsa, welche bisher vor Unruhe, Verwirrung und Scham noch nicht vermocht hat, auf Lohengrin zu blicken, und so, mit sich kämpfend, noch einsam im Vordergrunde steht.
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Friedrich | sich zu Elsa neigend |
| Vertraue mir! Laß dir ein Mittel heißen, |
| das dir Gewißheit schafft!
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Elsa | erschrocken; doch leise |
| Hinweg von mir!
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Friedrich | Laß mich das kleinste Glied ihm nur entreißen, |
| des Fingers Spitze, und ich schwöre dir, |
| was er dir hehlt, sollst frei du vor dir sehn, |
| dir treu, soll nie er dir von hinnen gehn!
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Elsa | Ha! Nimmermehr!
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Friedrich | Ich bin dir nah zur Nacht – |
| rufst du, ohn’ Schaden ist es schnell vollbracht.
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Lohengrin | schnell in den Vordergrund tretend |
| Elsa, mit wem verkehrst du da? |
| Elsa wendet sich mit einem zweifelvoll schmerzlichen Blick von Friedrich ab und sinkt tief erschüttert zu Lohengrins Füßen. Lohengrin wendet sich an Ortrud und Friedrich. |
| Zurück von ihr, Verfluchte! |
| Daß nie mein Auge je |
| euch wieder bei ihr seh’! |
| Friedrich macht eine Gebärde der schmerzlichsten Wut. |
| Elsa, erhebe dich! In deiner Hand, |
| in deiner Treu’ liegt alles Glückes Pfand! |
| Läßt nicht des Zweifels Macht dich ruhn? |
| Willst du die Frage an mich tun?
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Elsa | in heftigster innerer Aufregung und in schamvoller Verwirrung |
| Mein Retter, der mir Heil gebracht! |
| Mein Held, in dem ich muß vergehn! |
| Hoch über alles Zweifels Macht |
| soll meine Liebe stehn. |
| Sie sinkt an seine Brust. Die Orgel ertönt aus dem Münster.
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Lohengrin | Heil dir, Elsa! |
| Nun laß vor Gott uns gehn!
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Die Männer | Seht, er ist von Gott gesandt!
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Die Frauen und Knaben | Heil! Heil! Heil! |
| Lohengrin führt Elsa feierlich an den Edlen vorüber zum König. Wo sie vorbeikommen, machen die Männer ehrerbietig Platz.
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Die Männer | Heil! Heil euch! |
| Heil Elsa von Brabant! |
| Von dem König geleitet, schreiten Lohengrin und Elsa langsam dem Münster zu. |
| Gesegnet sollst du schreiten! usw.
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Die Männer, Frauen und Knaben | Heil dir, Tugendreiche! |
| Heil Elsa von Brabant! |
| Heil dir! |
| Als der König mit dem Brautpaar die höchste Stufe erreicht, wendet sich Elsa in großer Ergriffenheit zu Lohengrin, dieser empfängt sie in seinen Armen. Aus dieser Umarmung blickt sie mit scheuer Besorgnis rechts von der Treppe hinab und gewahrt Ortrud, welche den Arm gegen sie erhebt, als halte sie sich des Sieges gewiß; Elsa wendet erschreckt ihr Gesicht ab. Vom König geführt, schreiten Lohengrin und Elsa dem Eingange des Münsters zu. |