| Zweite Szene |
| Noch mehrere Lehrbuben sind eingetreten; sie tragen und stellen Bänke und richten alles zur Sitzung der Meistersinger her. |
Zweiter Lehrbube | David, was stehst?
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Erster Lehrbube | Greif ans Werk!
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Zweiter Lehrbube | Hilf uns richten das Gemerk!
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David | Zu eifrigst war ich vor euch allen; |
| schafft nun für euch: |
| hab ander Gefallen!
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Vier Lehrbuben | Was der sich dünkt! |
| Der Lehrling’ Muster! |
| Das macht, weil sein Meister ein Schuster. |
| Beim Leisten sitzt er mit der Feder. |
| Beim Dichten mit Draht und Pfriem. |
| Sein’ Verse schreibt er auf rohes Leder.
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Lehrbuben | mit entsprechender Gebärde: |
| Das, dächt’ ich, gerbten wir ihm! |
| Sie machen sich lachend an die fernere Herrichtung.
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David | nachdem er den sinnenden Ritter eine Weile betrachtet: |
| Fanget an!
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Walther | verwundert: |
| Was soll’s?
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David | noch stärker: |
| «Fanget an!» – So ruft der «Merker». |
| Nun sollt Ihr singen! Wißt Ihr das nicht?
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Walther | Wer ist der Merker?
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David | Wißt Ihr das nicht? Wart Ihr noch nie bei ‘nem Sing-Gericht?
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Walther | Noch nie, wo die Richter Handwerker!
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David | Seid Ihr ein «Dichter»?
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Walther | Wär’ ich’s doch!
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David | Seid Ihr ein «Singer»?
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Walther | Wüßt’ ich’s noch!
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David | Doch «Schulfreund» wart Ihr und «Schüler» zuvor?
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Walther | Das klingt mir alles fremd vorm Ohr.
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David | Und so gradhin wollt Ihr Meister werden?
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Walther | Wie, machte das so große Beschwerden?
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David | O Lene! Lene!
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Walther | Wie Ihr doch tut!
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David | O Magdalene!
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Walther | Ratet mir gut!
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David | setzt sich in Positur: |
| Mein Herr, der Singer Meister-Schlag |
| gewinnt sich nicht an einem Tag. |
| In Nüremberg der größte Meister |
| mich lehrt die Kunst Hans Sachs! |
| Schon voll ein Jahr mich unterweist er, |
| daß ich als Schüler wachs’. |
| Schuhmacherei und Poeterei, |
| die lern’ ich da alleinerlei: |
| hab ich das Leder glatt geschlagen, |
| lern’ ich Vokal und Konsonanz sagen; |
| wichst’ ich den Draht erst fest und steif, |
| was sich dann reimt, ich wohl begreif! |
| Den Pfriemen schwingend, |
| im Stich die Ahl’, |
| was stumpf, was klingend, |
| was Maß, was Zahl – |
| den Leisten im Schurz, was lang, was kurz, |
| was hart, was lind, hell oder blind, |
| was Waisen, was Milben, was Klebsilben, |
| was Pausen, was Körner, was Blumen, was Dörner – |
| das alles lernt’ ich mit Sorg’ und Acht. |
| Wie weit nun, meint Ihr, daß ich’s gebracht?
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Walther | Wohl zu ‘nem Paar recht guter Schuh’?
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David | Ja, dahin hat’s noch gute Ruh’! |
| Ein «Bar» hat manch Gesätz’ und Gebänd’; |
| wer da gleich die rechte Regel fänd’, |
| die richt’ge Naht und den rechten Draht, |
| mit gutgefügten «Stollen» den Bar recht zu versohlen. |
| Und dann erst kommt der «Abgesang»; |
| daß der nicht kurz und nicht zu lang |
| und auch keinen Reim enthält, |
| der schon im Stollen gestellt. |
| Wer alles das merkt, weiß und kennt, |
| wird doch immer noch nicht «Meister» genennt.
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Walther | Hilf Gott! Will ich denn Schuster sein? |
| In die Singkunst lieber führ mich ein.
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David | Ja, hätt’ ich’s nur selbst schon zum «Singer» gebracht! |
| Wer glaubt wohl, was das für Mühe macht? |
| Der Meister Tön’ und Weisen, |
| gar viel an Nam’ und Zahl, |
| die starken und die leisen, |
| wer die wüßte allzumal! |
| Der «kurze», «lang’» und «überlang’» Ton, |
| die «Schreibpapier»-, «Schwarz-Tinten»-Weis’; |
| der «rote», «blau’» und «grüne» Ton; |
| die «Hageblüh»-, «Strohhalm»-, «Fengel»-Weis’; |
| der «zarte», der «süße», der «Rosen»-Ton; |
| der «kurzen Liebe», der «vergeßne» Ton; |
| die «Rosmarin»-, «Gelbveiglein»-Weis’, |
| die «Regenbogen»-, die «Nachtigall» –Weis’, |
| die «englische Zinn»-, die «Zimmtröhren»-Weis’, |
| «frisch’ Pomeranzen»-, «grün’ Lindenblüh»-Weis’, |
| die «Frösch’»-, die «Kälber»-, die «Stieglitz»-Weis’, |
| die «abgeschiedene Vielfraß»-Weis’; |
| der «Lerchen»-, der «Schnecken»-, der «Beller»-Ton, |
| die «Melissenblümlein»-, die «Meiran»-Weis’, |
| «Gelblöwenhaut»-, |
| gefühlvoll |
| «treu’ Pelikan»-Weis’, |
| prunkend |
| die «buttglänzende Draht»-Weis’ ...
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Walther | Hilf Himmel! Welch endlos Tönegeleis’!
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David | Das sind nur die Namen: |
| nun lernt sie singen, |
| recht, wie die Meister sie gestellt! |
| Jed’ Wort und Ton muß klärlich klingen, |
| wo steigt die Stimm’ und wo sie fällt; |
| fangt nicht zu hoch, zu tief nicht an, |
| als es die Stimm’ erreichen kann; |
| mit dem Atem spart, daß er nicht knappt |
| und gar am End’ Ihr überschnappt; |
| vor dem Wort mit der Stimme ja nicht summt, |
| nach dem Wort mit dem Mund auch nicht brummt. |
| Nicht ändert an «Blum’» und «Koloratur», |
| jed’ Zierat fest nach des Meisters Spur. |
| Verwechseltet Ihr, würdet gar irr’, |
| verlört Ihr Euch und kämt ins Gewirr: |
| wär’ sonst Euch alles auch gelungen, |
| da hättet Ihr gar «versungen!» |
| Trotz großem Fleiß und Emsigkeit |
| ich selbst noch bracht’ es nicht so weit. |
| So oft ich’s versuch’ und ‘s nicht gelingt, |
| die «Knieriem-Schlag»-Weis’ der Meister mir singt. |
| Sanft |
| Wenn dann Jungfer Lene nicht Hilfe weiß, |
| greinend |
| sing’ ich die «eitel Brot- und Wasser»-Weis’! Nehmt Euch ein Beispiel dran |
| und laßt vom Meister-Wahn! |
| Denn «Singer» und «Dichter» müßt Ihr sein, |
| eh’ Ihr zum «Meister» kehret ein.
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Vier Lehrbuben | während der Arbeit: |
| David! |