Meistersinger 1. Aufzug 3. Szene 1

Dritte Szene
Die Einrichtung ist nun folgendermaßen beendigt: Zur Seite rechts sind gepolsterte Bänke in der Weise ausgestellt, daß sie einen schwachen Halbkreis nach der Mitte zu bilden. Am Ende der Bänke, in der Mitte der Bühne, befindet sich das «Gemerk» benannte Gerüst, welches zuvor hergerichtet worden. Zur linken Seite steht nun der erhöhte, kathederartige Stuhl «der Singstuhl» der Versammlung gegenüber. Im Hintergrunde, den großen Vorhang entlang, steht eine lange niedere Bank für die Lehrlinge. Walther, verdrießlich über das Gespött der Knaben, hat sich auf die vordere Bank niedergelassen. Pogner und Beckmesser sind im Gespräch aus der Sakristei aufgetreten. Die Lehrbuben harren, ehrerbietig vor der hinteren Bank stehend. Nur David stellt sich anfänglich am Eingang der Sakristei auf.
Pogner zu Beckmesser:
Seid meiner Treue wohl versehen.
Was ich bestimmt, ist Euch zu Nutz:
im Wettgesang müßt Ihr bestehen;
wer böte Euch als Meister Trutz?

BeckmesserDoch wollt Ihr von dem Punkt nicht weichen,
der mich – ich sag’s – bedenklich macht;
kann Evchens Wunsch den Werber streichen,
was nützt mir meine Meisterpracht?

PognerEi sagt! Ich mein, vor allen Dingen
sollt’ Euch an dem gelegen sein.
Könnt Ihr der Tochter Wunsch nicht zwingen,
wie möchtet Ihr wohl um sie frei’n?

BeckmesserEi ja! Gar wohl! Drum eben bitt’ ich,
daß bei dem Kind Ihr für mich sprecht,
wie ich geworben zart und sittig
und wie Beckmesser grad Euch recht.

PognerDas tu ich gern.

Beckmesser beiseite:
Er läßt nicht nach!
Wie wehrt’ ich da ’nem Ungemach?

Walther der, als er Pogner gewahrt, aufgestanden und ihm entgegengegangen ist, verneigt sich vor ihm:
Gestattet, Meister!

PognerWie, mein Junker?
Ihr sucht mich in der Singschul’ hie?
Sie wechseln die Begrüßungen.

Beckmesser immer beiseite:
Verstünden’s die Frau’n! Doch schlechtes Geflunker
gilt ihnen mehr als all’ Poesie.
Er geht verdrießlich im Hintergrunde auf und ab.

WaltherHier eben bin ich am rechten Ort.
Gesteh’ ich’s frei, vom Lande fort
was mich nach Nürnberg trieb,
war nur zur Kunst die Lieb’.
Vergaß ich’s gestern Euch zu sagen,
heut muß ich’s laut zu künden wagen:
ein Meistersinger möcht’ ich sein.
Sehr innig.
Schließt, Meister, in die Zunft mich ein!
Kunz Vogelgesang und Konrad Nachtigall sind eingetreten.

Pogner freudig zu den Hinzutretenden:
Kunz Vogelgesang! Freund Nachtigall!
Hört doch, welch’ ganz besondrer Fall!
Der Ritter hier, mir wohlbekannt,
hat der Meisterkunst sich zugewandt.
Vorstellungen, Begrüßungen, andere Meister treten noch dazu.

Beckmesser wieder in den Vordergrund tretend, für sich:
Noch such’ ich’s zu wenden;
doch sollt’s nicht gelingen,
versuch’ ich des Mädchens Herz zu ersingen.
In stiller Nacht, von ihr nur gehört,
erfahr’ ich, ob auf mein Lied sie schwört.
Walther erblickend.
Wer ist der Mensch?

Pogner sehr warm zu Walther fortfahrend:
Glaubt, wie mich’s freut!
Die alte Zeit dünkt mich erneut.

BeckmesserEr gefällt mir nicht!

PognerWas Ihr begehrt,

BeckmesserWas will er hier? –

Pogner...soviel an mir....

BeckmesserWie der Blick ihm lacht!

Pogner... sei’s Euch gewährt.
Half ich Euch gern bei des Guts Verkauf,

BeckmesserHolla, Sixtus!

Pognerin die Zunft nun nehm’ ich Euch gleich gern auf.

BeckmesserAuf den hab acht!

WaltherHabt Dank der Güte aus tiefstem Gemüte!
Und darf ich denn hoffen, steht heut mir noch offen,
zu werben um den Preis, daß Meistersinger ich heiß’?

BeckmesserOho! Fein sacht! Auf dem Kopf steht kein Kegel!

PognerHerr Ritter, dies geh’ nun nach der Regel.
Doch heut ist Freiung:
ich schlag’ Euch vor;
mir leihen die Meister ein willig Ohr.
Die Meistersinger sind nun alle angelangt, zuletzt Hans Sachs.

SachsGott grüß Euch, Meister!

VogelgesangSind wir beisammen?

BeckmesserDer Sachs ist ja da!

NachtigallSo ruft die Namen!

Kothner zieht eine Liste hervor, stellt sich zur Seite auf und ruft laut:
Zu einer Freiung und Zunftberatung
ging an die Meister ein’ Einladung:
bei Nenn’ und Nam’, ob jeder kam,
ruf’ ich nun auf als letztentbot’ner,
der ich mich nenn’ und bin Fritz Kothner.
Seid Ihr da, Veit Pogner?

PognerHier zur Hand.
Er setzt sich.

KothnerKunz Vogelgesang?

VogelgesangEin sich fand.
Er setzt sich.

KothnerHermann Ortel?

OrtelImmer am Ort.
Er setzt sich.

KothnerBalthasar Zorn?

ZornBleibt niemals fort.
Er setzt sich.

KothnerKonrad Nachtigall?

NachtigallTreu seinem Schlag.
Er setzt sich.

KothnerAugustin Moser?

MoserNie fehlen mag.
Er setzt sich.

KothnerNiklaus Vogel? – Schweigt?

Ein Lehrbube von der Bank aufstehend:
Ist krank.

KothnerGut’ Bess’rung dem Meister!

Die Meister außer Kothner:
Walt’s Gott!

Ein LehrbubeSchön’ Dank!
Er setzt sich wieder nieder.

KothnerHans Sachs?

David vorlaut sich erhebend und auf Sachs zeigend:
Da steht er!

Sachs drohend zu David:
Juckt dich das Fell?
Verzeiht, Meister! Sachs ist zur Stell’.
Er setzt sich.

KothnerSixtus Beckmesser?

BeckmesserImmer bei Sachs,
während er sich setzt
daß den Reim ich lern’ von «blüh’ und wachs».
Sachs lacht.

KothnerUlrich Eißlinger?

EißlingerHier.
Er setzt sich.

KothnerHans Foltz?

FoltzBin da.
Er setzt sich.

KothnerHans Schwarz?

SchwarzZuletzt:
Gott wollt’s!
Setzt sich.

KothnerZur Sitzung gut und voll die Zahl.
Beliebt’s, wir schreiten zur Merkerwahl?

VogelgesangWohl eh’r nach dem Fest.

BeckmesserPressiert’s dem Herrn?
Mein Stell’ und Amt laß ich ihm gern.

PognerNicht doch, Ihr Meister! Laßt das jetzt fort.
Für wichtigen Antrag bitt ich ums Wort.
Alle Meister stehen auf, nicken Kothner zu und setzen sich wieder.

KothnerDas habt Ihr, Meister, sprecht!