Beckmesser | unsichtbar im Gemerk, sehr grell: |
| Fanget an!
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Walther | Fanget an! |
| So rief der Lenz in den Wald, |
| daß laut es ihn durchhallt; |
| und wie in fern’ren Wellen |
| der Hall von dannen flieht, |
| von weither naht ein Schwellen, |
| das mächtig näher zieht; |
| es schwillt und schallt, |
| es tönt der Wald |
| von holder Stimmen Gemenge; |
| nun laut und hell schon nah zur Stell’, |
| wie wächst der Schwall! Wie Glockenhall |
| ertost des Jubels Gedränge! |
| Der Wald, wie bald |
| antwortet er dem Ruf, |
| der neu ihm Leben schuf, |
| stimmte an |
| das süße Lenzeslied! – |
| Man hört aus dem Gemerk unnzutige Seufzer des Merkers und heftiges Anstreichen mit der Kreide. Auch Walther hat es gehört; nach kurzer Störung fährt er fort. |
| In einer Dornenhecken, |
| von Neid und Gram verzehrt, |
| mußt’ er sich da verstecken, |
| der Winter, grimm-bewehrt. |
| Von dürrem Laub umrauscht |
| er lauert da und lauscht, |
| wie er das frohe Singen |
| zu Schaden könnte bringen. – |
| Er steht vom Stuhle auf. |
| Doch: |
| fanget an! |
| So rief es mir in der Brust, |
| als noch ich von Liebe nicht wußt’. |
| Da fühlt’ ich’s tief sich regen, |
| als weckt’ es mich aus dem Traum; |
| mein Herz mit bebenden Schlägen |
| erfüllte des Busens Raum: |
| das Blut, es wallt mit Allgewalt, |
| geschwellt von neuem Gefühle; |
| aus warmer Nacht mit Übermacht |
| schwillt mir zum Meer der Seufzer Heer |
| im wilden Wonnegewühle. |
| Die Brust wie bald |
| antwortet sie dem Ruf, |
| der neu ihr Leben schuf; |
| stimmt nun an |
| das hehre Liebeslied!
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Beckmesser | den Vorhang aufreißend: |
| Seid Ihr nun fertig?
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Walther | Wie fraget Ihr?
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Beckmesser | Mit der Tafel ward ich fertig schier. |
| Er hält die ganz mit Kreidestrichen bedeckte Tafel heraus; die Meister brechen in ein Gelächter aus.
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Walther | Hört doch! Zu meiner Frauen Preis |
| gelang’ ich jetzt erst mit der Weis’.
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Beckmesser | das Gemerk verlassend: |
| Singt, wo Ihr wollt! Hier habt Ihr vertan. |
| Ihr Meister, schaut die Tafel Euch an: |
| so lang’ ich leb’, ward’s nicht erhört; |
| ich glaubt’s nicht, wenn Ihr’s all auch schwört!
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Walther | Erlaubt Ihr’s, Meister, daß er mich stört? |
| Blieb ich von allen ungehört?
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Pogner | Ein Wort, Herr Merker! Ihr seid gereizt!
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Beckmesser | Sei Merker fortan, wer danach geizt! |
| Doch daß der Junker hier versungen hat, |
| beleg’ ich erst noch vor der Meister Rat. |
| Zwar wird’s ’ne harte Arbeit sein: |
| wo beginnen, da wo nicht aus noch ein? |
| Von falscher Zahl und falschem Gebänd’ |
| schweig’ ich schon ganz und gar; |
| zu kurz, zu lang, wer ein End’ da fänd’! |
| Wer meint hier im Ernst einen Bar? |
| Auf «blinde Meinung» klag’ ich allein: |
| sagt, konnt’ ein Sinn unsinniger sein?
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Die Meister | ohne Sachs und Pogner: |
| Man ward nicht klug! Ich muß gestehn. |
| Ein Ende konnte keiner erseh’n.
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Beckmesser | Und dann die Weis’! Welch tolles Gekreis’ |
| aus «Abenteuer»-, «blau Rittersporn»-Weis’, |
| «hoch Tannen»- und «stolz Jüngling»-Ton!
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Kothner | Ja, ich verstand gar nichts davon!
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Beckmesser | Kein Absatz wo, kein’ Koloratur, |
| von Melodei auch nicht eine Spur!
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Ortel | Wer nennt das Gesang?
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Moser | Es ward einem bang’!
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Nachtigall | Ja, ’s ward einem bang!
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Vogelgesang | Eitel Ohrgeschinder!
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Zorn | Auch gar nichts dahinter!
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Kothner | Und gar vom Singstuhl ist er gesprungen!
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Beckmesser | Wird erst auf die Fehlerprobe gedrungen? |
| Oder gleich erklärt, daß er versungen? |