Sachs | der vom Beginne an Walther mit wachsendem Ernst zugehört hat, schreitet vor: |
| Halt Meister! Nicht so geeilt! |
| Nicht jeder Eure Meinung teilt. |
| Des Ritters Lied und Weise, |
| sie fand ich neu, doch nicht verwirrt; |
| verließ er unsre Gleise, |
| schritt er doch fest und unbeirrt. |
| Wollt Ihr nach Regeln messen, |
| was nicht nach Eurer Regeln Lauf, |
| der eig’nen Spur vergessen, |
| sucht davon erst die Regeln auf!
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Beckmesser | Aha, schon recht! Nun hört Ihr’s doch: |
| den Stümpern öffnet Sachs ein Loch, |
| da aus und ein nach Belieben |
| ihr Wesen leicht sie trieben. |
| Singet dem Volk auf Markt und Gassen; |
| hier wird nach den Regeln nur eingelassen!
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Sachs | Herr Merker, was doch solch ein Eifer? |
| Was doch so wenig Ruh’? |
| Eu’r Urteil, dünkt mich, wäre reifer, |
| hörtet Ihr besser zu. |
| Darum, so komm’ ich jetzt zum Schluß, |
| daß den Junker man zu End’ hören muß.
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Beckmesser | Der Meister Zunft, die ganze Schul’, |
| gegen den Sachs da sind wir Null.
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Sachs | Verhüt’ es Gott, was ich begehr’, |
| daß das nicht nach den Gesetzen wär’! |
| Doch da nun steht geschrieben: |
| «Der Merker werde so bestellt, |
| daß weder Haß noch Lieben |
| das Urteil trübe, das er fällt» – |
| Geht der nun gar auf Freiersfüßen, |
| wie sollt’ er da die Lust nicht büßen, |
| den Nebenbuhler auf dem Stuhl |
| zu schmähen vor der ganzen Schul’? |
| Walther flammt auf.
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Nachtigall | Ihr geht zu weit!
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Kothner | Persönlichkeit!
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Pogner | Vermeidet, Meister, Zwist und Streit!
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Beckmesser | Ei, was kümmert doch Meister Sachsen, |
| auf was für Füßen ich geh? |
| Ließ er doch lieber Sorge sich wachsen, |
| daß mir nichts drück’ die Zeh’! |
| Doch seit mein Schuster ein großer Poet, |
| gar übel es um mein Schuhwerk steht. |
| Da seht, wie’s schlappt und überall klappt! |
| All seine Vers’ und Reim’ ließ ich ihm gern daheim, |
| Historien, Spiel’ und Schwänke dazu, |
| brächt’ er mir morgen die neuen Schuh’!
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Sachs | kratzt sich hinter den Ohren: |
| Ihr mahnt mich da gar recht: |
| doch schickt sich’s, Meister, sprecht, |
| daß, find’ ich selbst dem Eseltreiber |
| ein Sprüchlein auf die Sohl’, |
| dem hochgelahrten Herrn Stadtschreiber |
| ich nichts drauf schreiben soll? |
| Das Sprüchlein, das Eu’r würdig sei, |
| mit all meiner armen Poeterei |
| fand ich noch nicht zur Stund’; |
| doch wird’s wohl jetzt mir kund, |
| wenn ich des Ritters Lied gehört: |
| drum sing’ er nun weiter ungestört! |
| Walther steigt in großer Aufregung auf den Singstuhl und blickt stehend herab.
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Beckmesser | Nicht weiter! Zum Schluß!
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Ortel | nacheinander: |
| Genug!
|
Zorn | Zum Schluß!
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Kothner | Genug! Zum Schluß.
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Sachs | zu Walther: |
| Singt dem Herrn Merker zum Verdruß!
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Beckmesser | Was sollte man da noch hören? |
| Wär’s nicht Euch zu betören? |
| Er holt aus dem Gemerk die Tafel herbei und hält sie während des Folgenden, von einem zum andern sich wendend, zur Prüfung den Meistern vor.
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Walther | Aus finst’rer Dornenhecken |
| die Eule rauscht’ hervor, |
| tät’ rings mit Kreischen wecken |
| der Raben heis’ren Chor:
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Beckmesser | Jeden Fehler groß und klein |
| seht genau auf der Tafel ein.
|
Die Meister | ohne Sachs und Pogner: |
| Jawohl, so ist’s!
|
Walther | in nächt’gem Heer zu Hauf |
| wie krächzen all’ da auf |
| mit ihren Stimmen, den hohlen, |
| die Elstern, Kräh’n und Dohlen!
|
Beckmesser | «Falsch Gebänd», «unredbare Worte», |
| «Klebsilben», hier «Laster» gar;
|
Die Meister | ohne Sachs und Pogner: |
| Ich seh’ es recht! |
| Mit dem Herrn Ritter steht es schlecht. |
| Mag Sachs von ihm halten, was er will, |
| hier in der Singschul’ schweig’ er still!
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Sachs | beobachtet Walther entzückt: |
| Ha, welch ein Mut! |
| Begeisterungsglut! –
|
Walther | Auf da steigt |
| mit gold’nem Flügelpaar |
| ein Vogel wunderbar: |
| sein strahlend hell Gefieder |
| licht in den Lüften blinkt;
|
Beckmesser | «Äquivoca», «Reim am falschen Orte», |
| «verkehrt», «verstellt» der ganze Bar; |
| ein «Flickgesang» hier zwischen den Stollen;
|
Pogner | Jawohl, ich seh’s, was mir nicht recht: |
| mit meinem Junker steht es schlecht!
|
Die Meister | ohne Sachs und Pogner: |
| Bleibt einem jeden doch unbenommen, |
| wen er sich zum Genossen begehrt!
|
Sachs | Ihr Meister, schweigt doch und hört!
|
Walther | schwebt selig hin und wider, |
| zu Flug und Flucht mir winkt. |
| Es schwillt das Herz |
| vor süßem Schmerz,
|
Pogner | Weich’ ich hier der Übermacht, |
| mir ahnet, daß mir’s Sorge macht.
|
Die Meister | ohne Sachs und Pogner: |
| Wär’ uns der erste best’willkommen, |
| was blieben die Meister dann wert?
|
Sachs | inständig: |
| Hört, wenn Sachs Euch beschwört!
|
Beckmesser | «blinde Meinung» allüberall;
|
Sachs | Herr Merker da, gönnt doch nur Ruh’!
|
Beckmesser | «unklare Wort’», «Differenz», |
| hier «Schrollen», |
| da «falscher Atem», hier «Überfall».
|
Walther | der Not entwachsen Flügel; |
| es schwingt sich auf |
| zum kühnen Lauf, |
| aus der Städte Gruft |
| zum Flug durch die Luft, |
| dahin zum heimischen Hügel;
|
Sachs | Laßt and’re hören, gebt das nur zu! |
| Umsonst! All eitel’ Trachten! |
| Kaum vernimmt man sein eig’nes Wort!
|
Beckmesser | Ganz unverständliche Melodei! |
| Aus allen Tönen ein Mischgebräu!
|
Sachs | Des Junkers will keiner achten. |
| Das nenn’ ich Mut, singt der noch fort!
|
Pogner | Wie gern säh’ ich ihn angenommen,
|
Walther | dahin zur grünen Vogelweid’, |
| wo Meister Walther einst mich freit’; |
| da sing’ ich hell und hehr |
| der liebsten Frauen Ehr’;
|
David | sind von der Bank aufgestanden und nähern sich dem Gemerk, um welches sie einen Ring schließen und sich zum Reigen ordnen: |
| Glück auf zum Meistersingen, |
| mögt Ihr Euch das Kränzlein erschwingen! |
| Sie fassen sich an und tanzen im Ringe immer lustiger um das Gemerk.
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Beckmesser | Scheutet Ihr nicht das Ungemach, |
| Meister, zählt mir die Fehler nach!
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Die Meister | ohne Sachs und Pogner: |
| Hei wie sich der Ritter da quält!
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Pogner | als Eidam wär’ er mir gar wert;
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Sachs | Das Herz auf dem rechten Fleck: |
| ein wahrer Dichter-Reck’!
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Walther | auf dann steigt, |
| ob Meister-Kräh’n ihm ungeneigt, |
| das stolze Minnelied. –
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David | Das Blumenkränzlein aus Seiden fein |
| wird das dem Herrn Ritter beschieden sein?
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Beckmesser | Verloren hätt’ er schon mit dem acht’: |
| doch so weit wie der hat’s noch keiner gebracht!
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Pogner | nenn’ ich den Sieger jetzt willkommen, |
| wer weiß, ob ihn mein Kind erwählt?
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Die Meister | ohne Sachs und Pogner: |
| Der Sachs hat ihn sich erwählt! – |
| Lachend. |
| Hahaha!
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Sachs | Mach’ ich, Hans Sachs, wohl Vers’ und Schuh’, |
| ist Ritter der und Poet dazu.
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Die Meister | ohne Sachs und Pogner: |
| ’s ist ärgerlich gar! |
| Drum macht ein End’!
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Beckmesser | Wohl über fünfzig, schlecht gezählt! |
| Sagt, ob Ihr Euch den zum Meister wählt?
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Pogner | Gesteh ich’s, daß mich das quält, |
| ob Eva den Meister wählt!
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Die Meister | ohne Sachs und Pogner: |
| Auf, Meister, stimmt |
| und erhebt die Händ’! |
| Die Meister erheben die Hände.
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Walther | Ade, Ihr Meister, hienied’!
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Beckmesser | Nun, Meister, kündet’s an!
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Die Meister | ohne Sachs und Pogner: |
| Versungen und vertan! |
| Er verläßt mit einer stolzen verächtlichen Gebärde den Stuhl und wendet sich rasch zum Fortgehen. Alles geht in Aufregung auseinander; lustiger Tumult der Lehrbuben, welche sich des Gemerks des Singstuhls und der Meisterbänke bemächtigen, wodurch Gedränge und Durcheinander der nach dem Ausgange sich wendenden Meister entsteht. Sachs, der allein im Vordergrunde geblieben, blickt noch gedankenvoll nach dem leeren Singestuhl, als die Lehrbuben auch diesen erfassen. Während Sachs mit humoristisch-unmutiger Gebärde sich abwendet, fällt der Vorhang. |