Beckmesser | Das Fenster geht auf! |
| Er späht nach dem Fenster, welches jetzt leise geöffnet wird und an welchem vorsichtig Magdalene in Evas Kleidung sich zeigt.
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Eva | mit großer Aufgeregtheit: |
| Mich schmerzt das Lied, ich weiß nicht wie! |
| O fort, laß uns fliehen!
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Walther | auffahrend: |
| Nun denn: |
| mit dem Schwert!
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Eva | Nicht doch! Ach, halt!
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Beckmesser | Herrgott, ‘s ist sie!
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Walther | die Hand vom Schwert nehmend: |
| Kaum wär’ er’s wert!
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Eva | Ja, besser Geduld!
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Beckmesser | der, während Sachs fortfährt zu arbeiten und zu singen, in großer Aufregung mit sich beraten hat: |
| Jetzt bin ich verloren, singt der noch fort!
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Eva | O bester Mann, |
| daß ich so Not dir machen kann!
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Beckmesser | tritt zu Sachs an den Laden heran und klimpert, während des Folgenden mit dem Rücken der Gasse zugewandt, seitwärts auf der Laute, um Magdalene am Fenster festzuhalten: |
| Freund Sachs! So hört doch nur ein Wort!
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Walther | leise zu Eva: |
| Wer ist am Fenster?
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Beckmesser | Wie seid Ihr auf die Schuh’ versessen!
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Eva | ‘s ist Magdalene.
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Beckmesser | Ich hatt’ sie wahrlich schon vergessen.
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Walther | Das heiß’ ich vergelten!
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Beckmesser | Als Schuster seid Ihr mir wohl wert,
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Walther | Fast muß ich lachen.
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Beckmesser | als Kunstfreund doch weit mehr verehrt.
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Eva | Wie ich ein End’ und Flucht mir ersehne!
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Walther | Ich wünscht’, er möchte den Anfang machen. |
| Walther und Eva, auf der Bank sanft aneinandergelehnt, erfolgen des weiteren Sachs und Beckmesser mit wachsender Teilnahme.
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Beckmesser | Eu’r Urteil, glaubt, das halt’ ich hoch; |
| drum bitt’ ich: |
| hört das Liedlein doch, |
| mit dem ich morgen möcht’ gewinnen, |
| ob das auch recht nach Euren Sinnen. |
| Er klimpert wiederholt seitwärts nach dem Fenster gewandt.
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Sachs | Oha! Wollt mich beim Wahne fassen? |
| Mag mich nicht wieder schelten lassen. |
| «Seit sich der Schuster dünkt Poet, |
| gar übel es um Eu’r Schuhwerk steht.» |
| Ich seh’, wie’s schlappt und überall klappt: |
| drum laß ich Vers und Reim’ |
| gar billig nun daheim, |
| Verstand und Witz und Kenntnis dazu, |
| mach’ Euch für morgen die neuen Schuh’.
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Beckmesser | kreischend: |
| Laßt das doch sein! Das war ja nur Scherz. |
| Vernehmt besser, wie’s mir ums Herz! |
| Vom Volk seid Ihr geehrt, |
| auch der Pognerin seid Ihr wert. |
| Will ich vor aller Welt |
| nun morgen um die werben, |
| sagt, könnt’s mich nicht verderben, |
| wenn mein Lied ihr nicht gefällt? |
| Drum hört mich ruhig an; |
| und sang ich, sagt mir dann, |
| was Euch gefällt, was nicht, |
| daß ich mich danach richt’. |
| Er klimpert wieder.
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Sachs | Ei, laßt mich doch in Ruh’! |
| Wie käme solche Ehr’ mir zu? |
| Nur Gassenhauer dicht’ ich zum meisten, |
| drum sing’ ich zur Gassen und han’ auf den Leisten. |
| Jerum! Jerum! |
| Hallo hallo he!
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Beckmesser | Verfluchter Kerl! Den Verstand verlier’ ich |
| mit seinem Lied voll Pech und Schmierich! –
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Sachs | O ho! Trallalei! Trallalei! O he!
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Beckmesser | Schweigt doch! Weckt Ihr die Nachbarn auf?
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Sachs | Die sind’s gewohnt: |
| ‘s hört keiner drauf. – |
| «O Eva, Eva!» –
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Beckmesser | in höchste Wut ausbrechend: |
| O Ihr boshafter Geselle! |
| Ihr spielt mir heut’ den letzten Streich! |
| Schweigt Ihr jetzt nicht auf der Stelle, |
| so denkt Ihr dran, das schwör’ ich Euch. |
| Er klimpert wütend. |
| Neidisch seid Ihr, nichts weiter, |
| dünkt Ihr Euch auch gleich gescheiter. |
| Daß andre auch was sind, ärgert Euch schändlich! |
| Glaubt, ich kenne Euch aus- und inwendlich! |
| Daß man Euch noch nicht zum Merker gewählt, |
| das ist’s, was den gallichten Schuster quält. |
| Nun gut! Solang’ als Beckmesser lebt |
| und ihm noch ein Reim an den Lippen klebt, |
| solang’ ich noch bei den Meistern was gelt’, |
| ob Nürnberg «blüh’ und wachs’», |
| das schwör’ ich Herrn Hans Sachs: |
| nie wird er je zum Merker bestellt! |
| Er klimpert in höchster Wut.
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Sachs | der ihm ruhig und aufmerksam zugehört hat: |
| War das Eu’r Lied?
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Beckmesser | Der Teufel hol’s!
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Sachs | Zwar wenig Regel: |
| doch klang’s recht stolz!
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Beckmesser | Wollt Ihr mich hören?
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Sachs | In Gottes Namen |
| singt zu: |
| ich schlag’ auf die Sohl’ die Rahmen.
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Beckmesser | Doch schweigt Ihr still?
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Sachs | Ei, singet Ihr, |
| die Arbeit, schaut, fördert’s auch mir.
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Beckmesser | Das verfluchte Klopfen wollt Ihr doch lassen?
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Sachs | Wie sollt’ ich die Sohl’ Euch richtig fassen?
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Beckmesser | Was? Ihr wollt klopfen, und ich soll singen?
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Sachs | Euch muß das Lied, mir der Schuh gelingen.
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Beckmesser | Ich mag keine Schuh’!
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Sachs | Das sagt Ihr jetzt; |
| in der Singschul’ Ihr mir’s dann wieder versetzt. |
| Doch hört! Vielleicht sich’s richten läßt: |
| zwei-einig geht der Mensch am best. |
| Darf ich die Arbeit nicht entfernen, |
| die Kunst des Merkers möcht’ ich erlernen. |
| Darin kommt Euch nun keiner gleich; |
| ich lern’ sie nie, wenn nicht von Euch. |
| Drum singt Ihr nun, ich acht’ und merk’ |
| und fördr’ auch wohl dabei mein Werk.
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Beckmesser | Merkt immer zu; und was nicht gewann, |
| nehmt Eure Kreide und streicht mir‘s an.
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Sachs | Nein, Herr! Da fleckten die Schuh’ mir nicht, |
| mit dem Hammer auf den Leisten halt’ ich Gericht.
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Beckmesser | Verdammte Bosheit! – Gott, und ‘s wird spät: |
| am End’ mir die Jungfer vom Fenster geht! |
| Er klimpert eifrig.
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Sachs | aufschlagend: |
| Fanget an! ‘s pressiert! Sonst sing’ ich für mich!
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Beckmesser | Haltet ein! Nur das nicht! – Teufel, wie ärgerlich! – |
| Wollt Ihr Euch denn als Merker erdreisten, |
| nun gut, so merkt mit dem Hammer auf den Leisten; |
| nur mit dem Beding, nach den Regeln scharf, |
| aber nichts, was nach den Regeln ich darf.
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Sachs | Nach den Regeln, wie sie der Schuster kennt, |
| dem die Arbeit unter den Händen brennt.
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Beckmesser | Auf Meisterehr’?
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Sachs | Und Schustermut!
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Beckmesser | Nicht einen Fehler: |
| glatt und gut! |
| Nachtwächterhorn sehr entfernt
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Sachs | Dann gingt Ihr morgen unbeschuht.
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Walther | leise zu Eva: |
| Welch toller Spuk! |
| Mich dünkt’s ein Traum.
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Sachs | auf den Steinsitz vor der Ladentür deutend: |
| Setzt Euch denn hier!
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Beckmesser | zieht sich nach der Ecke des Hauses zurück: |
| Laßt hier mich stehen!
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Walther | den Singstuhl, scheint’s, verließ ich kaum!
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Sachs | Warum so weit?
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Beckmesser | Euch nicht zu seh’n, |
| wie’s Brauch der Schul’ vor dem Gemerk’.
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Eva | sanft an Walthers Brust gelehnt: |
| Die Schläf’ umwebt mir’s wie ein Wahn: |
| ob’s Heil, ob Unheil, was ich ahn’?
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Sachs | Da hör’ ich Euch schlecht.
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Beckmesser | Der Stimme Stärk’ |
| ich so gar lieblich dämpfen kann. |
| Er stellt sich ganz um die Ecke, dem Fenster gegenüber, auf
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Sachs | Wie fein! Nun gut denn! – Fanget an! |