Meistersinger 2. Aufzug 7. Szene 1

Siebente Szene
Magdalene am Fenster, schreiend:
Ach, Himmel! David! Gott, welche Not!
Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sie schlagen sich tot!
Sachs beobachtet noch eine Zeitlang den wachsenden Tumult, löscht aber alsbald sein Licht aus und schließt den Laden so weit, daß er, ungesehen, stets durch eine kleine Öffnung den Platz unter der Linde beobachten kann. – Walther und Eva sehen mit wachsender Sorge dem anschwellenden Auflauf zu; er schließt sie in seinen Mantel fest an sich und birgt sich hart an der Linde im Gebüsch, so daß beide fast ungesehen bleiben. Die Nachbarn verlassen die Fenster und kommen nach und nach in Nachtkleidern einzeln auf die Straße herab.

BeckmesserVerfluchter Bursch! Läßt du mich los?

DavidGewiß! Die Glieder brech’ ich dir bloß!
Sie balgen sich fortwährend; bald verschwinden sie gänzlich, bald kommen sie wieder in den Vordergrund, immer Beckmesser auf der Flucht, David ihn einholend, festhaltend und prügelnd.

NachtigallSeht nach! Springt zu! Da würgen sich zwei!
Lehrbuben einzeln, dann mehr, kommen von allen Seiten dazu.

OrtelSeht nach, ‘s gibt Schlägerei!
Sie kommen herab.

Einige LehrbubenHerbei, herbei!
‘s gibt Keilerei!

Vogelgesang auf die Gasse heraustretend:
Heda!
Herbei! ‘s gibt Schlägerei!
Ihr da! Laßt los! Gebt freien Lauf!
Laßt Ihr nicht los, wir schlagen drauf!

MagdaleneAch, Himmel, welche Not!
Zu Hilfe, David! Sie schlagen sich tot!
David, bist du toll?
Gesellen – mit Knitteln bewaffnet – kommen von allen Seiten dazu.

Die einen Lehrbuben‘s sind die Schuster!

Die anderen LehrbubenNein, ‘s sind die Schneider!

Die einen LehrbubenDie Trunkenbolde!

Die anderen LehrbubenDie Hungerleider!

MoserGleich auseinander da, Ihr Leut’!

GesellenHeda! Gesellen ran!
Dort wird mit Streit und Zank getan.
Da gibt’s gewiß gleich Schlägerei;
Gesellen, haltet Euch dabei!

Die Nachbarinnen haben die Fenster geöffnet und gucken heraus:
Was ist denn da für Zanken und Streit?
Da gibt’s gewiß noch Schlägerei!

LehrbubenKennt man die Schlosser nicht?
Die haben’s sicher angericht’! –
Ich glaub’, die Schmiede werden’s sein. –
Nein, sind die Schlosser dort, ich wett’!
Ich kenn’ die Schreiner dort!
Gewiß die Metzger sind’s!
Hei! Schau die Schäffier dort beim Tanz. –
Dort seh’ die Bader ich im Glanz. –
Herbei, herbei! Jetzt geht’s zum Tanz!

ZornEi seht! Auch Ihr hier?

VogelgesangWas sucht Ihr hier?

ZornGeht’s Euch was an?

VogelgesangHat man Euch was getan?

ZornEuch kennt man gut!

VogelgesangEuch noch viel besser!

ZornWieso denn?

VogelgesangEi, so!
Er schlägt zu.

ZornEsel!
Er schlägt wieder.

VogelgesangDummrian!

Die NachbarinnenWär’ nur der Vater nicht dabei!
Da ist mein Mann gewiß dabei!
Ach welche Not. Nein, seht nur dort/hier!
Der Zank und Lärm. Der Lärm und Streit!
‘s wird einem wahrlich angst und bang!

Die Meister und ältere Bürger, von verschiedenen Seiten dazukommend:
Was gibt’s denn da für Zank und Streit?
Das tost ja weit und breit!

Gesellen‘s sind die Weber! ‘s sind die Gerber!
Die Preisverderber!
Dacht’ ich mir’s doch gleich!
Spielen immer Streich’! –
Wischt’s ihnen aus. Gebt’s denen scharf.
Immer mehr, die Keilerei wird groß!
Dort den Metzger Klaus kenn’ ich heraus! –

Die Nachbarn darunter zunächst Kothner, Nachtigall, Moser, Eißlinger, dann Ortel, Foltz, zuletzt Vogelgesang,Zorn und Schwarz:
Euch gönnt’ ich’s schon lange! –
Wird Euch wohl bange?
Das für die Klage! –
Seht Euch vor, wenn ich schlage!
Hat Euch die Frau gehetzt? –
Schaut, wie es Prügel setzt! –
Lümmel! – Grobian!
Seid Ihr noch nicht gewitzt? –
Nun, schlagt doch! – Das sitzt! –
Daß dich Halunken gleich ein Donnerwetter träf’! –

Magdalene mit größter Anstrengung:
Hör doch nur, David!
So laß doch nur den Herrn dort los!
Er hat mir nichts getan.
So hör mich doch nur an!

Die NachbarinnenHeda! Ihr dort unten,
so seid doch nur gescheit!
Ei, hört, was will die Alte da!
Seid Ihr denn alle gleich
zu Streit und Zank bereit?

LehrbubenKrämer finden sich zur Hand
mit Gerstenstang’ und Zuckerkand;
mit Pfeffer, Zimt, Muskatnuß,
sie riechen schön,
doch machen viel Verdruß.
Sie riechen schön
und bleiben gern vom Schuß. –

Gesellen‘s ist morgen der fünfte!
‘s brennt manchem da im Haus!
Zünfte heraus! Hie setzt’s Prügel!
Schneider mit dem Bügel!

Die MeisterGebt Ruh’ und scher’ sich jeder gleich nach Hause heim,
sonst schlag’ ein Hageldonnerwetter drein!

Die NachbarinnenMein! Dort schlägt sich mein Mann!
Ach Gott, säh ich nur meinen Hans!
Säh die Not ich wohl an?
Seid Ihr denn alle blind und toll?
Sind Euch vom Wein die Köpfe voll?
Wartet, ihr Racker! – Maßabzwacker! –
Packt Euch jetzt heim, sonst kriegt Ihr’s von der Frau! –

LehrbubenSeht nur, der Has’ hat überall die Nas’! –
Meinst du damit etwa mich?
Mein’ ich etwa dich? Immer mehr, heran!
Lustig! Wacker! Jetzt geht’s erst recht an.

Magdalene hinabspähend:
Herrgott, er hält ihn noch!

Die NachbarinnenDer Vater! Ach, sie hau’n ihn tot!
Hört keines mehr sein Wort? Gott, welche Höllennot!
Seht dort den Christian, er walkt den Peter ab!
Gott, wie sie walken!
Mein! Dort den Michel seht,
der haut dem Steffen eins!
Jesus, sie schlagen meinen Jungen tot.
Der Hans hat einen Hieb am Kopf.
PeterI Hans! Ei, so höre doch!
Gott, steh uns bei, geht das so weiter fort.
Hei, mein Mann schlägt wacker auf sie drein.

LehrbubenNur immer mehr heran zu uns!
Hei, nun geht’s! Plautz, hast du nicht gesehn?
Hast’s auf der Schnauz’! –
Ha! nun geht’s:
Krach! Hagelwetterschlag! Pardautz!

Die NachbarinnenWollt Ihr noch mehr?
Was geht’s Euch an, wenn ich nun grad hier bleiben will?
Schickt die Gesellen heim! –
So gut wie Ihr bin Meister ich! – Dummer Kerl! –
Schert Euch heim! – Macht Euch fort! –
Schert doch Ihr Euch selber fort.

GesellenZünfte heraus, nur tüchtig drauf und dran,
wir schlagen los!
Ihr da, macht! Packt Euch fort.
Wir sind hier grad’ am Ort.
Wolltet Ihr etwa den Weg uns hier verwehren?
Macht Platz, wir schlagen drein!
Gürtler! Spengler! Zinngießer!
Leimsieder! Lichtgießer!
Schert Euch selber fort und macht Euch heim!

MagdaleneMein, David, ist er toll?

Die NachbarinnenDie Köpf und Zöpfe wackeln hin und her!
Franz, sei doch nur gescheit.
Ach, wie soll das enden?
Welches Toben! Welches Krachen!

LehrbubenWo es sitzt, da wächst nichts so bald nach!
Wo es sitzt, da fleckt’s, da wächst kein Gras so bald
nicht wieder nach –
Der hat’s gekriegt.
Bald setzt es blut’ge Köpf’, Arm und Bein.

Die NachbarnHaltet’s Maul! – Wir weichen nicht! –
Tuchscherer! Leinweber! Keiner weiche!
Schlagt sie nieder! – Immer ran! –
Wacker zu! – Immer drauf! –
Stemmt Euch hier nicht mehr zuhauf!
oder sonst, wir schlagen drein!

GesellenNicht gewichen! Schlagt sie nieder!
Keiner weiche!
Tuchscherer! Leinweber!
Immer ran wer’s wagt! Immer drauf!
Schlagt’s ihn hin!

Magdalene mit größter Anstrengung:
Ach, David hör’ ‘s ist Herr Beckmesser!

Die NachbarinnenAuf, schaffet Wasser her! Wasser her,
Wasser ist das allerbest’ für ihre Wut
Schafft’s nur her!
die Köpf hinab!
Auf, schreit um Hilfe. Mord und Zeter!
Schreit laut!

LehrbubenDort der Pfister, denkt daran.
Hei, der hat’s. Der hat genug.
Scher sich jeder heim, wer nicht mit keilt!
Tüchtig gekeilt, immer lustig! Heissa!
Keiner weiche!
Keilt euch wacker,
haltet selbst Gesellen mutig stand.
Wer wich’, ‘s wär’ wahrlich eine Schand’!