| Fünfte Szene |
| Die Vorhänge sind nach der Höhe aufgezogen worden; die Bühne ist verwandelt. – Diese stellt einen freien Wiesenplan, im ferneren Hintergrunde die Stadt Nürnberg. Die Pegnitz schlängelt sich durch den Plan, der schmale Fluß ist an den nächsten Punkten praktikabel gehalten. – Buntbeflaggte Kähne setzen die ankommenden, festlich gekleideten Bürger der Zünfte mit Frauen und Kindern, an das Ufer der Festwiese über. Eine erhöhte Bühne mit Bänken und Sitzen darauf ist rechts zur Seite aufgeschlagen; bereits ist sie mit den Fahnen der angekommenen Zünfte geschmückt; im Verlaufe stecken die Fahnenträger der noch ankommenden Zünfte ihre Fahnen ebenfalls um die Sängerbühne auf so daß diese schließlich nach drei Seiten hin ganz davon eingefaßt ist. Zelte mit Getränken und Erfrischungen aller Art begrenzen im übrigen die Seiten des vorderen Hauptraumes. Vor den Zelten geht es bereits lustig her: – Bürger mit Frauen, Kindern und Gesellen sitzen und lagern daselbst. Die Lehrbuben der Meistersinger, festlich gekleidet, mit Blumen und Bändern reich und anmutig geschmückt, üben mit schlanken Stäben, die ebenfalls mit Blumen und Bändern geziert sind, in lustiger Weise das Amt von Herolden und Marschällen aus. Sie empfangen die am Ufer Aussteigenden, ordnen die Züge der Zünfte und geleiten diese nach der Sängerbühne, von wo aus, nachdem der Bannerträger die Fahne aufgepflanzt, die Zunftbürger und Gesellen sich unter den Zelten zerstreuen. Soeben werden die Schuster am Ufer empfangen und nach dem Vordergrunde geleitet. |
Die Schuster | mit fliegender Fahne aufziehend: |
| Sankt Krispin, lobet ihn! |
| War gar ein heilig’ Mann, |
| zeigt’, was ein Schuster kann. |
| Die Armen hatten gute Zeit, |
| macht’ ihnen warme Schuh’; |
| und wenn ihm keiner ‘s Leder leiht, |
| so stahl er sich’s dazu. |
| Der Schuster hat ein weit Gewissen, |
| macht Schuhe selbst mit Hindernissen; |
| und ist vom Gerber das Fell erst weg, |
| dann streck, streck, streck! |
| Leder taugt nur am rechten Fleck. |
| Die Stadtwächter und Heerhornbläser mit Trompeten und Trommeln sowie die Stadtpfeifer, Lautenmacher usw. ziehen, auf ihren Instrumenten spielend, auf. Ihnen folgen Gesellen mit Kinderinstrumenten.
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Die Schneider | mit fliegender Fahne aufziehend: |
| Als Nürnberg belagert war |
| und Hungersnot sich fand, |
| wär’ Stadt und Volk verdorben gar, |
| war nicht ein Schneider zur Hand, |
| der viel Mut hatt’ und Verstand. |
| Hat sich in ein Bocksfell eingenäht, |
| auf dem Stadtwall da spazierengeht |
| und macht wohl seine Sprünge |
| gar lustig guter Dinge. |
| Der Feind, der sieht’s und zieht vom Fleck: |
| der Teufel hol’ die Stadt sich weg, |
| hat’s drin noch so lustige Meck-meck-meck! |
| Meck! Meck! Meck! |
| Wer glaubt’s, daß ein Schneider im Bocke steck’!
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Die Bäcker | ziehen mit fliegender Fahne auf: |
| Hungersnot! Hungersnot! |
| Das ist ein greulich Leiden! |
| Gäb’ euch der Bäcker nicht täglich Brot, |
| müßt’ alle Welt verscheiden. |
| Beck! Beck! Beck! |
| Täglich auf dem Fleck! |
| Nimm uns den Hunger weg!
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Die Schuster | welche ihre Fahne aufgesteckt, begegnen beim Herabschreiten von der Sängerbühne den Bäckern: |
| Streck! Streck! Streck! |
| Leder taugt nur am rechten Fleck.
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Die Schneider | nachdem die Fahne aufgesteckt, herabschreitend: |
| Meck! Meck! Meck! |
| Wer meint, daß ein Schneider im Bocke steck’! |
| Ein bunter Kahn mit jungen Mädchen in reicher bäuerischer Tracht kommt an.
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Lehrbuben | laufen nach dem Gestade: |
| ’ Herrje! Herrje! Mädel von Fürth! |
| Stadtpfeifer, spielt, daß’s lustig wird! |
| Sie heben die Mädchen aus dem Kahn. |
| Das Charakteristische des Tanzes, mit welchem die Lehrbuben und Mädchen zunächst nach dem Vordergrund kommen, besteht darin, daß die Lehrbuben die Mädchen scheinbar nur an den Platz bringen wollen; sowie die Gesellen zugreifen wollen, ziehen die Buben die Mädchen aber immer wieder zurück, als ob sie sie anderswo unterbringen wollten, wobei sie den ganzen Kreis, wie wählend, ausmessen und somit die scheinbare Absicht anmutig und lustig verzögern.
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David | kommt vom Landungsplatz vor und sieht mißbilligend dem Tanze zu: |
| Ihr tanzt? Was werden die Meister sagen? |
| Die Lehrbuben drehen ihm Nasen. |
| Hört nicht? – Laß ich mir’s auch behagen! |
| Er nimmt sich ein junges, schönes Mädchen und gerät im Tanze mit ihr schnell in großes Feuer. Die Zuschauer freuen sich und lachen.
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Einige Lehrbuben | winken David: |
| David! David! Die Lene sieht zu!
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David | läßt das Mädchen erschrocken fahren, um das die Lehrbuben sogleich tanzend einen Kreis schließen. Da er Lene nirgends gewahrt, merkt David, daß er nur geneckt worden, durchbricht den Kreis, erfaßt sein Mädchen wieder und tanzt noch feuriger weiter: |
| Ach, laßt mich mit euren Possen in Ruh’! |
| Die Buben suchen ihm das Mädchen zu entreißen, er wendet sich mit ihr jedesmal glücklich ab, so daß nun ein ähnliches Spiel entsteht wie zuvor, als die Gesellen nach den Mädchen faßten.
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Gesellen | vom Ufer her: |
| Die Meistersinger!
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Lehrbuben | Die Meistersinger! |
| Sie unterbrechen schnell den Tanz und eilen zum Ufer.
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David | Herrgott! Ade, ihr hübschen Dinger! |
| Er gibt dem Mädchen einen feurigen Kuß und reißt sich los. Die Lehrbuben reihen sich zum Empfang der Meistersinger. Das Volk macht ihnen willig Platz. – Die Meistersinger ordnen sich am Landungsplatze zum festlichen Aufzuge. – Wenn Kothner im Vordergrunde ankommt, wird die geschwungene Fahne, auf welcher König David mit der Harfe abgebildet ist, von allem Volk mit Hutschwenken begrüßt. – Der Zug der Meistersinger ist nun auf der Singerbühne angelangt, wo Kothner die Fahne aufpflanzt. Pogner, Eva an der Hand führend, diese von festlich geschmückten, reich gekleideten jungen Mädchen, unter denen auch Magdalene, begleitet, voran. – Als Eva, von den Mädchen umgeben, den mit Blumen geschmückten Ehrenplatz eingenommen und alle übrigen, die Meister auf den Bänken, die Gesellen hinter ihnen stehend, ebenfalls Platz genommen, treten die Lehrbuben, dem Volke zugewendet, feierlich vor die Bühne in Reih und Glied.
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Lehrbuben | Silentium! Silentium! |
| Sachs erhebt sich und tritt vor. Bei seinem Anblick stößt sich alles an; Hüte und Mützen werden abgezogen. Alle deuten auf ihn. |
| Macht kein Reden und kein Gesumm’.
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Einige im Volk | Ha! Sachs! ‘s ist Sachs! |
| Seht Meister Sachs!
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Mehrere | Stimmt an! Stimmt an! |
| Alle Sitzenden erheben sich; die Männer bleiben mit entblößtem Haupte. Beckmesser bleibt, mit dem Memorieren des Gedichtes beschäftigt, hinter den anderen Meistern versteckt, so daß er bei dieser Gelegenheit der Beachtung des Publikums entzogen wird.
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Alle | außer Sachs: |
| Wach’ auf, es nahet gen den Tag, |
| ich hör’ singen im grünen Hag |
| ein’ wonnigliche Nachtigal, |
| ihr’ Stimm’ durchdringet Berg und Tal; |
| die Nacht neigt sich zum Okzident, |
| der Tag geht auf von Orient, |
| die rotbrünstige Morgenröt’ |
| her durch die trüben Wolken geht.» |
| Das Volk nimmt wieder eine jubelnd bewegte Haltung an und singt nun allein. Die Meister auf der Bühne sowie die anderen Teilnehmer am Gesange geben sich dem Schauspiele des Volksjubels hin. |
| Heil Sachs! Heil dir, Sachs! |
| Heil Nürnbergs teurem Sachs! Heil! Heil! |
| Sachs, der unbeweglich, wie geistesabwesend, über die Menge hinweg geblickt hatte, richtet endlich seine Blicke vertrauter auf sie und beginnt mit ergriffener; schnell sich festigender Stimme.
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Sachs | Euch macht Ihr’s leicht, mir macht Ihr’s schwer, |
| gebt Ihr mir Armen zuviel Ehr’. |
| Soll vor der Ehr’ ich besteh’n, |
| sei’s, mich von Euch geliebt zu seh’n! |
| Schon große Ehr’ ward mir erkannt, |
| ward heut’ ich zum Spruchsprecher ernannt. |
| Und was mein Spruch Euch künden soll, |
| glaubt, das ist hoher Ehren voll! |
| Wenn Ihr die Kunst so hoch schon ehrt, |
| da galt es zu beweisen, |
| daß, wer ihr selbst gar angehört, |
| sie schätzt ob allen Preisen. |
| Ein Meister, reich und hochgemut, |
| der will heut’ Euch das zeigen: |
| sein Töchterlein, sein höchstes Gut, |
| mit allem Hab und Eigen, |
| dem Singer, der im Kunstgesang |
| vor allem Volk den Preis errang, |
| als höchsten Preises Kron’ |
| er bietet das zum Lohn. |
| Darum so hört und stimmt mir bei: |
| die Werbung steh’ dem Dichter frei. |
| Ihr Meister, die Ihr’s Euch getraut, |
| Euch ruf’ ich’s vor dem Volke laut: |
| erwägt der Werbung seltnen Preis, |
| und wem sie soll gelingen, |
| daß der sich rein und edel weiß |
| im Werben wie im Singen, |
| will er das Reis erringen, |
| das nie bei Neuen noch bei Alten |
| ward je so herrlich hoch gehalten |
| als von der lieblich Reinen, |
| die niemals soll beweinen, |
| daß Nürenberg mit höchstem Wert |
| die Kunst und ihre Meister ehrt. |
| Große Bewegung unter allen. Sachs geht auf Pogner zu, der ihm gerührt die Hand drückt.
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Pogner | O Sachs! Mein Freund! Wie dankenswert! |
| Wie wißt Ihr, was mein Herz beschwert!
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Sachs | zu Pogner: |
| ‘s war viel gewagt! Jetzt habt nur Mut! |
| Er wendet sich zu Beckmesser, der fortwährend eifrig das Blatt mit dem Gedicht herausgezogen, memoriert, genau zu lesen versucht und oft verzweiflungsvoll sich den Schweiß getrocknet hat. |
| Herr Merker! Sagt, wie steht es? Gut?
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Beckmesser | O dieses Lied! Werd’ nicht draus klug |
| und hab’ doch dran studiert genug!
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Sachs | Mein Freund, ‘s ist Euch nicht aufgezwungen.
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Beckmesser | Was hilft’s? – Mit dem meinen ist doch versungen! |
| ‘s war Eure Schuld! Jetzt seid hübsch für mich! |
| ‘s wär’ schändlich, ließt Ihr mich im Stich!
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Sachs | Ich dächt’, Ihr gäbt’s auf.
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Beckmesser | Warum nicht gar? |
| Die and’ren sing’ ich alle zu Paar’, wenn Ihr nur nicht singt!
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Sachs | So seht, wie’s geht!
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Beckmesser | Das Lied! – bin’s sicher – zwar niemand versteht; |
| doch bau’ ich auf Eure Popularität.
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Sachs | Nun denn, wenn’s Meistern und Volk beliebt, zum Wettgesang man den Anfang gibt.
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Kothner | tritt vor: |
| Ihr ledig’ Meister, macht Euch bereit! |
| Der Ältest’ sich zuerst anläßt: |
| Herr Beckmesser, Ihr fangt an, ‘s ist Zeit! |
| Die Lehrbuben führen Beckmesser zu einem kleinen Rasenhügel vor der Singerbühne, welchen sie zuvor festgerammt und reich mit Blumen überdeckt haben.
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Beckmesser | strauchelt darauf, tritt unsicher und schwankt: |
| Zum Teufel! Wie wackelig! Macht das hübsch fest! |
| Die Buben lachen unter sich und stopfen lustig am Rasen.
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Das Volk | stößt sich gegenseitig lustig an: |
| Wie, der? Der wirbt? Scheint mir nicht der Rechte! |
| An der Tochter Stell’ ich den nicht möchte. |
| Seid still! ‘s ist gar ein tücht’ger Meister! |
| Still! Macht keinen Witz; |
| der hat im Rate Stimm’ und Sitz. |
| Ach, der kann ja nicht mal steh’n. |
| Wie soll es mit dem geh’n? |
| Er fällt fast um! Gott, ist der dumm! |
| Stadtschreiber ist er: |
| Beckmesser heißt er. |
| Viele lachen.
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Lehrbuben | in Aufstellung: |
| Silentium! Silentium! |
| Macht kein Reden und kein Gesumm!
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Kothner | Fanget an! |