Zweiter Aufzug | |||||||||||||||||
Vorspiel | 51 | 59 | 13 | 106 | 11 | Nibelungenhass Ring Fluch Wurm Fafner | |||||||||||
Erste Szene | 11 | ||||||||||||||||
Tiefer Wald. – Ganz im Hintergrunde die Öffnung einer Höhle. Der Boden hebt sich bis zur Mitte der Bühne, wo er eine kleine Hochebene bildet; von da senkt er sich nach hinten, der Höhle zu, wieder abwärts, so daß von dieser nur der obere Teil der Öffnung dem Zuschauer sichtbar ist. Links gewahrt man durch Waldbäume eine zerklüftete Felsenwand. Finstere Nacht, am dichtesten über dem Hintergrunde, wo anfänglich der Blick des Zuschauers gar nichts zu unterscheiden vermag. | 11 | ||||||||||||||||
Alberich | an der Felsenwand zur Seite gelagert, düster brütend | ||||||||||||||||
In Wald und Nacht vor Neidhöhl’ halt’ ich Wacht: | 51 | Nibelungenhass | |||||||||||||||
es lauscht mein Ohr, mühvoll lugt mein Aug’. | 51 | ||||||||||||||||
Banger Tag, bebst du schon auf? | |||||||||||||||||
Dämmerst du dort durch das Dunkel her? | |||||||||||||||||
Aus dem Walde von rechts her erhebt sich ein Sturmwind; ein bläulicher Glanz leuchtet von ebendaher | 60 | 80 | Ritt | ||||||||||||||
Welcher Glanz glitzert dort auf? | 60 | 80 | Unruhe | ||||||||||||||
Näher schimmert ein heller Schein; | 60 | 80 | |||||||||||||||
es rennt wie ein leuchtendes Roß, | 60 | 80 | |||||||||||||||
bricht durch den Wald brausend daher. | 60 | 80 | |||||||||||||||
Naht schon des Wurmes Würger? | |||||||||||||||||
Ist’s schon, der Fafner fällt? | |||||||||||||||||
Der Sturmwind legt sich wieder; der Glanz verlischt | 13 | Fluch | |||||||||||||||
Das Licht erlischt, | |||||||||||||||||
der Glanz barg sich dem Blick: | 11 | Fafner | |||||||||||||||
Nacht ist’s wieder. | 13 | Fluch | |||||||||||||||
Der Wanderer tritt aus dem Wald und hält Alberich gegenüber an | |||||||||||||||||
Wer naht dort schimmernd im Schatten? | 51 | Nibelungenhass | |||||||||||||||
Der Wanderer | Zur Neidhöhle fuhr ich bei Nacht: | ||||||||||||||||
wen gewahr’ ich im Dunkel dort? | |||||||||||||||||
Wie aus einem plötzlich zerreißenden Gewölk bricht Mondschein herein und beleuchtet des Wanderers Gestalt | 90 | Walhall | |||||||||||||||
Alberich | erkennt den Wanderer, fährt erschrocken zurück, bricht aber sogleich in höchste Wut aus | ||||||||||||||||
Du selbst läßt dich hier sehn? | |||||||||||||||||
Was willst du hier? | |||||||||||||||||
Fort, aus dem Weg! | |||||||||||||||||
Von dannen, schamloser Dieb! | |||||||||||||||||
Der Wanderer | ruhig | ||||||||||||||||
Schwarz-Alberich, schweifst du hier? | |||||||||||||||||
Hütest du Fafners Haus? | |||||||||||||||||
Alberich | Jagst du auf neue Neidtat umher? | ||||||||||||||||
Weile nicht hier, weiche von hinnen! | |||||||||||||||||
Genug des Truges tränkte die Stätte mit Not. | |||||||||||||||||
Drum, du Frecher, laß sie jetzt frei! | |||||||||||||||||
Der Wanderer | Zu schauen kam ich, | 96 | Wanderer | ||||||||||||||
nicht zu schaffen: | |||||||||||||||||
wer wehrte mir Wand’rers Fahrt? | |||||||||||||||||
Alberich | lacht tückisch auf | ||||||||||||||||
Du Rat wütender Ränke! | |||||||||||||||||
Wär’ ich dir zulieb | |||||||||||||||||
doch noch dumm wie damals, | |||||||||||||||||
als du mich Blöden bandest, | |||||||||||||||||
wie leicht geriet’ es, | |||||||||||||||||
den Ring mir nochmals zu rauben! | |||||||||||||||||
Hab’ acht! Deine Kunst kenne ich wohl; | |||||||||||||||||
doch wo du schwach bist, | |||||||||||||||||
blieb mir auch nicht verschwiegen. | |||||||||||||||||
Mit meinen Schätzen zahltest du Schulden; | |||||||||||||||||
mein Ring lohnte der Riesen Müh’, | |||||||||||||||||
die deine Burg dir gebaut. | 90 | Walhall | |||||||||||||||
Was mit den Trotzigen einst du vertragen, | 83 | Vertrag | |||||||||||||||
des Runen wahrt noch heut’ | 84 | Vertragsschutz | |||||||||||||||
deines Speeres herrischer Schaft. | |||||||||||||||||
Nicht du darfst, was als Zoll du gezahlt, | 85 | Vertragstreue | |||||||||||||||
den Riesen wieder entreißen: | 85 | ||||||||||||||||
du selbst zerspelltest deines Speeres Schaft; | |||||||||||||||||
in deiner Hand der herrische Stab, | |||||||||||||||||
der starke, zerstiebte wie Spreu! | 42 | Loge | |||||||||||||||
Der Wanderer | Durch Vertrages Treuerunen | 96 | Wanderer | ||||||||||||||
band er dich Bösen mir nicht: | 96 | ||||||||||||||||
dich beugt’ er mir durch seine Kraft; | 83 | Vertrag | |||||||||||||||
zum Krieg drum wahr’ ich ihn wohl! | |||||||||||||||||
Alberich | Wie stolz du dräust in trotziger Stärke, | 51 | Nibelungenhass | ||||||||||||||
und wie dir’s im Busen doch bangt! | |||||||||||||||||
Verfallen dem Tod durch meinen Fluch | 13 | Fluch | |||||||||||||||
ist des Hortes Hüter: | 13 | ||||||||||||||||
wer wird ihn beerben? | 51 | Nibelungenhass | |||||||||||||||
Wird der neidliche Hort | 51 | ||||||||||||||||
dem Niblungen wieder gehören? | 51 | ||||||||||||||||
Das sehrt dich mit ew’ger Sorge! | 51 | ||||||||||||||||
Denn fass’ ich ihn wieder einst in der Faust, | 51 | ||||||||||||||||
anders als dumme Riesen | 59 | Ring | |||||||||||||||
üb’ ich des Ringes Kraft: | 59 | ||||||||||||||||
dann zittre der Helden heiliger Hüter! | |||||||||||||||||
Walhalls Höhen stürm’ ich mit Hellas Heer: | 99 | Wehe | |||||||||||||||
der Welt walte dann ich! | 43 | Machtdünkel | |||||||||||||||
Der Wanderer | ruhig | ||||||||||||||||
Deinen Sinn kenn’ ich wohl; | |||||||||||||||||
doch sorgt er mich nicht. | |||||||||||||||||
Des Ringes waltet, wer ihn gewinnt. | |||||||||||||||||
Alberich | Wie dunkel sprichst du, | ||||||||||||||||
was ich deutlich doch weiß! | |||||||||||||||||
An Heldensöhne hält sich dein Trotz, | 65 | Schwert | |||||||||||||||
höhnisch | |||||||||||||||||
die traut deinem Blute entblüht. | |||||||||||||||||
Pflegtest du wohl eines Knaben, | |||||||||||||||||
der klug die Frucht dir pflücke, | |||||||||||||||||
immer heftiger | |||||||||||||||||
die du nicht brechen darfst? | |||||||||||||||||
Der Wanderer | Mit mir nicht, hadre mit Mime: | 79 | Unmuth | ||||||||||||||
dein Bruder bringt dir Gefahr; | |||||||||||||||||
einen Knaben führt er daher, | |||||||||||||||||
der Fafner ihm fällen soll. | |||||||||||||||||
Nichts weiß der von mir; | |||||||||||||||||
der Niblung nützt ihn für sich. | |||||||||||||||||
Drum sag’ ich dir, Gesell: | |||||||||||||||||
tue frei, wie dir’s frommt! | |||||||||||||||||
Alberich macht eine Gebärde heftiger Neugierde | 23 | Grübel | |||||||||||||||
Höre mich wohl, sei auf der Hut! | |||||||||||||||||
Nicht kennt der Knabe den Ring; | |||||||||||||||||
doch Mime kundet’ ihn aus. | |||||||||||||||||
Alberich | heftig | ||||||||||||||||
Deine Hand hieltest du vom Hort? | |||||||||||||||||
Der Wanderer | Wen ich liebe, lass’ ich für sich gewähren; | ||||||||||||||||
er steh’ oder fall’, sein Herr ist er: | 15 | Freiheit | |||||||||||||||
Helden nur können mir frommen. | |||||||||||||||||
Alberich | Mit Mime räng’ ich allein um den Ring? | ||||||||||||||||
Der Wanderer | Außer dir begehrt er einzig das Gold. | ||||||||||||||||
Alberich | Und dennoch gewänn’ ich ihn nicht? | ||||||||||||||||
Der Wanderer | ruhig nähertretend | ||||||||||||||||
Ein Helde naht, den Hort zu befrei’n; | |||||||||||||||||
zwei Niblungen geizen das Gold; | |||||||||||||||||
Fafner fällt, der den Ring bewacht: | 106 | Wurm | |||||||||||||||
wer ihn rafft, hat ihn gewonnen. | |||||||||||||||||
Willst du noch mehr? | 106 | Wurm | |||||||||||||||
Dort liegt der Wurm: | 106 | ||||||||||||||||
er wendet sich nach der Höhle | |||||||||||||||||
warnst du ihn vor dem Tod, | 11 | Fafner | |||||||||||||||
willig wohl ließ’ er den Tand. | 11 | ||||||||||||||||
Ich selber weck’ ihn dir auf. | 11 | ||||||||||||||||
Er stellt sich auf die Anhöhe vor der Höhle und ruft hinein | 106 | Wurm | |||||||||||||||
Fafner! Fafner! | 11 | Fafner | |||||||||||||||
Erwache, Wurm! | 11 | ||||||||||||||||
Alberich | in gespanntem Erstaunen, für sich | 11 | |||||||||||||||
Was beginnt der Wilde? | 11 | ||||||||||||||||
Gönnt er mir’s wirklich? | 11 | ||||||||||||||||
Aus der finstern Tiefe des Hintergrundes hört man Fafners Stimme durch ein starkes Sprachrohr | 11 | ||||||||||||||||
Fafner | Wer stört mir den Schlaf? | 11 | |||||||||||||||
Der Wanderer | der Höhle zugewandt | ||||||||||||||||
Gekommen ist einer, | |||||||||||||||||
Not dir zu künden: | |||||||||||||||||
er lohnt dir’s mit dem Leben, | |||||||||||||||||
lohnst du das Leben ihm | |||||||||||||||||
mit dem Horte, den du hütest? | |||||||||||||||||
Er beugt sein Ohr lauschend der Höhle zu | 11 | Fafner | |||||||||||||||
Fafner | seine Stimme | 11 | |||||||||||||||
Was will er? | 11 | ||||||||||||||||
Alberich | ist dem Wanderer zur Seite getreten und ruft in die Höhle | ||||||||||||||||
Wache, Fafner! Wache, du Wurm! | |||||||||||||||||
Ein starker Helde naht, | |||||||||||||||||
dich heil’gen will er bestehn. | |||||||||||||||||
Fafner | Mich hungert sein. | 11 | Fafner | ||||||||||||||
Der Wanderer | Kühn ist des Kindes Kraft, | ||||||||||||||||
scharf schneidet sein Schwert. | 65 | Schwert | |||||||||||||||
Alberich | Den goldnen Reif geizt er allein: | 59 | Ring | ||||||||||||||
laß mir den Ring zum Lohn, | |||||||||||||||||
so wend’ ich den Streit; | |||||||||||||||||
du wahrest den Hort, | |||||||||||||||||
und ruhig lebst du lang’! | |||||||||||||||||
Fafner | Ich lieg’ und besitz’, | 11 | Fafner | ||||||||||||||
gähnend | 11 | ||||||||||||||||
laßt mich schlafen! | 11 | ||||||||||||||||
Der Wanderer | lacht auf und wendet sich dann wieder zu Alberich | ||||||||||||||||
Nun, Alberich, das schlug fehl. | 59 | Ring | |||||||||||||||
Doch schilt mich nicht mehr Schelm! | |||||||||||||||||
Dies eine, rat’ ich, achte noch wohl: | |||||||||||||||||
vertraulich zum ihm tretend | |||||||||||||||||
Alles ist nach seiner Art, | 48 | Natur | |||||||||||||||
an ihr wirst du nichts ändern. | |||||||||||||||||
Ich lass’ dir die Stätte, stelle dich fest! | |||||||||||||||||
Versuch’s mit Mime, dem Bruder, | |||||||||||||||||
der Art ja versiehst du dich besser. | |||||||||||||||||
zum Abgange gewendet | |||||||||||||||||
Was anders ist, das lerne nun auch! | 65 | 15 | Schwert Freiheit | ||||||||||||||
Er verschwindet im Walde. Sturmwind erhebt sich, heller Glanz bricht aus; dann vergeht beides schnell | |||||||||||||||||
Alberich | blickt dem davonjagenden Wanderer nach | 96 | 60 | Wanderer | |||||||||||||
Da reitet er hin, auf lichtem Roß; | 96 | 60 | Ritt | ||||||||||||||
mich läßt er in Sorg’ und Spott. | 105 | 60 | Wotans Scheidegruss | ||||||||||||||
Doch lacht nur zu, | 96 | 60 | Wanderer | ||||||||||||||
ihr leichtsinniges, lustgieriges Göttergelichter! | 96 | 60 | |||||||||||||||
Euch seh’ ich noch alle vergehn! | 13 | Fluch | |||||||||||||||
Solang’ das Gold am Lichte glänzt, | 13 | ||||||||||||||||
hält ein Wissender Wacht. | 13 | ||||||||||||||||
Trügen wird euch sein Trotz! | 51 | Nibelungenhass | |||||||||||||||
Er schlüpft zur Seite in das Geklüft. Die Bühne bleibt leer. Morgendämmerung | 11 | Fafner |