Zweite Szene | |||||||||||||||||
Bei anbrechendem Tage treten Mime und Siegfried auf. Siegfried trägt das Schwert in einem Gehenke von Bastseil. Mime erspäht genau die Stätte; er forscht endlich dem Hintergrunde zu, welcher – während die Anhöhe im mittleren Vordergrunde später immer heller von der Sonne beleuchtet wird – in finstrem Schatten bleibt; dann bedeutet er Siegfried | 87 | 50 | 34 | 64 | Waberlohe Nibelungen Jugendkraft Schmelzlied | ||||||||||||
Mime | Wir sind zur Stelle! Bleib hier stehn! | ||||||||||||||||
Siegfried | setzt sich unter einer großen Linde nieder und schaut sich um | ||||||||||||||||
Hier soll ich das Fürchten lernen? | 87 | Waberlohe | |||||||||||||||
Fern hast du mich geleitet: | |||||||||||||||||
eine volle Nacht im Walde | |||||||||||||||||
selbander wanderten wir. | |||||||||||||||||
Nun sollst du, Mime, mich meiden! | |||||||||||||||||
Lern’ ich hier nicht, | |||||||||||||||||
was ich lernen soll, | |||||||||||||||||
allein zieh’ ich dann weiter: | |||||||||||||||||
dich endlich werd’ ich da los! | |||||||||||||||||
Mime | setzt sich ihm gegenüber, so daß er die Höhle immer noch im Auge behält | ||||||||||||||||
Glaube, Liebster! | |||||||||||||||||
Lernst du heut’ und hier das Fürchten nicht, | |||||||||||||||||
an andrem Ort, zu andrer Zeit | |||||||||||||||||
schwerlich erfährst du’s je. | |||||||||||||||||
Siehst du dort den dunklen Höhlenschlund? | |||||||||||||||||
Darin wohnt ein greulich wilder Wurm: | |||||||||||||||||
unmaßen grimmig ist er und groß; | 11 | Fafner | |||||||||||||||
ein schrecklicher Rachen reißt sich ihm auf; | 11 | ||||||||||||||||
mit Haut und Haar auf einen Happ | 11 | ||||||||||||||||
verschlingt der Schlimme dich wohl. | |||||||||||||||||
Siegfried | immer unter der Linde sitzend | ||||||||||||||||
Gut ist’s, den Schlund ihm zu schließen: | |||||||||||||||||
drum biet’ ich mich nicht dem Gebiß. | |||||||||||||||||
Mime | Giftig gießt sich ein Geifer ihm aus: | ||||||||||||||||
wen mit des Speichels Schweiß er bespeit, | |||||||||||||||||
dem schwinden wohl Fleisch und Gebein. | |||||||||||||||||
Siegfried | Daß des Geifers Gift mich nicht sehre, | ||||||||||||||||
weich’ ich zur Seite dem Wurm. | |||||||||||||||||
Mime | Ein Schlangenschweif schlägt sich ihm auf: | ||||||||||||||||
wen er damit umschlingt und fest umschließt, | 11 | Fafner | |||||||||||||||
dem brechen die Glieder wie Glas! | |||||||||||||||||
Siegfried | Vor des Schweifes Schwang mich zu wahren, | ||||||||||||||||
halt’ ich den Argen im Aug’. | |||||||||||||||||
Doch heiße mich das: | 93 | Wälsungen | |||||||||||||||
hat der Wurm ein Herz? | |||||||||||||||||
Mime | Ein grimmiges, hartes Herz! | 11 | Fafner | ||||||||||||||
Siegfried | Das sitzt ihm doch, | 11 | |||||||||||||||
wo es jedem schlägt, | 11 | ||||||||||||||||
trag’ es Mann oder Tier? | 11 | ||||||||||||||||
Mime | Gewiß, Knabe, da führt’s auch der Wurm. | ||||||||||||||||
Jetzt kommt dir das Fürchten wohl an? | |||||||||||||||||
Siegfried | bisher nachlässig ausgestreckt, erhebt sich rasch zum Sitz | ||||||||||||||||
Notung stoß’ ich dem Stolzen ins Herz! | 52 | Nothung | |||||||||||||||
Soll das etwa Fürchten heißen? | |||||||||||||||||
He, du Alter! Ist das alles, | 34 | Jugendkraft | |||||||||||||||
was deine List mich lehren kann? | 34 | ||||||||||||||||
Fahr’ deines Wegs dann weiter; | 34 | ||||||||||||||||
das Fürchten lern’ ich hier nicht. | 34 | ||||||||||||||||
Mime | Wart’ es nur ab! | ||||||||||||||||
Was ich dir sage, dünke dich tauber Schall: | |||||||||||||||||
ihn selber mußt du hören und sehn, | |||||||||||||||||
die Sinne vergehn dir dann schon! | |||||||||||||||||
Wenn dein Blick verschwimmt, | 87 | Waberlohe | |||||||||||||||
der Boden dir schwankt, | |||||||||||||||||
im Busen bang dein Herz erbebt: | 11 | Fafner | |||||||||||||||
sehr freundlich | |||||||||||||||||
dann dankst du mir, der dich führte, | |||||||||||||||||
gedenkst, wie Mime dich liebt. | |||||||||||||||||
Siegfried | Du sollst mich nicht lieben! | ||||||||||||||||
Sagt’ ich dir’s nicht? | |||||||||||||||||
Fort aus den Augen mir! | |||||||||||||||||
Laß mich allein: | |||||||||||||||||
sonst halt’ ich’s hier länger nicht aus, | |||||||||||||||||
fängst du von Liebe gar an! | |||||||||||||||||
Das eklige Nicken und Augenzwicken, | 45 | Mime | |||||||||||||||
wann endlich soll ich’s nicht mehr sehn, | 45 | ||||||||||||||||
wann werd’ ich den Albernen los? | 45 | ||||||||||||||||
Mime | Ich lass’ dich schon. | 45 | |||||||||||||||
Am Quell dort lagr’ ich mich; | |||||||||||||||||
steh’ du nur hier; | |||||||||||||||||
steigt dann die Sonne zur Höh’, | |||||||||||||||||
merk’ auf den Wurm: | |||||||||||||||||
aus der Höhle wälzt er sich her, | 106 | Wurm | |||||||||||||||
hier vorbei biegt er dann, | 106 | ||||||||||||||||
am Brunnen sich zu tränken. | |||||||||||||||||
Siegfried | lachend | ||||||||||||||||
Mime, weilst du am Quell, | |||||||||||||||||
dahin lass’ ich den Wurm wohl gehn: | |||||||||||||||||
Notung stoß’ ich ihm erst in die Nieren, | |||||||||||||||||
wenn er dich selbst dort mit weggesoffen. | 51 | Nibelungenhass | |||||||||||||||
Darum, hör’ meinen Rat, | |||||||||||||||||
raste nicht dort am Quell; | |||||||||||||||||
kehre dich weg, so weit du kannst, | |||||||||||||||||
und komm’ nie mehr zu mir! | |||||||||||||||||
Mime | Nach freislichem Streit dich zu erfrischen, | ||||||||||||||||
wirst du mir wohl nicht wehren? | |||||||||||||||||
Siegfried wehrt ihn hastig ab | |||||||||||||||||
Rufe mich auch, | |||||||||||||||||
darbst du des Rates, | |||||||||||||||||
Siegfried wiederholt die Gebärde mit Ungestüm | 34 | Jugendkraft | |||||||||||||||
oder wenn dir das Fürchten gefällt. | |||||||||||||||||
Siegfried erhebt sich und treibt Mime mit wütender Gebärde zum Fortgehen | |||||||||||||||||
im Abgehen für sich | |||||||||||||||||
Fafner und Siegfried – Siegfried und Fafner – | 45 | Mime | |||||||||||||||
O brächten beide sich um! | 45 | ||||||||||||||||
Er verschwindet rechts im Wald |