Dritte Szene | |||||||||||||||||
Das immer zarter gewordene Gewölk hat sich in einen feinen Nebelschleier von rosiger Färbung aufgelöst und zerteilt sich nun in der Weise, daß der Duft sich gänzlich nach oben verzieht und endlich nur noch den heiteren, blauen Tageshimmel erblicken läßt, während am Saume der nun sichtbar werdenden Felsenhöhe – ganz die gleiche Szene wie im dritten Aufzug der «Walküre» – ein morgenrötlicher Nebelschleier haften bleibt, welcher zugleich an die in der Tiefe noch lodernde Zauberlohe erinnert. Die Anordnung der Szene ist durchaus dieselbe wie am Schlusse der «Walküre»: im Vordergrunde, unter der breitästigen Tanne, liegt Brünnhilde in vollständiger, glänzender Panzerrüstung, mit dem Helm auf dem Haupte, den langen Schild über sich gedeckt, in tiefem Schlafe | 1 | 67 | 87 | Abenteuer Siegfried Waberlohe | |||||||||||||
Siegfried gelangt von außen her auf den felsigen Saum der Höhe und zeigt sich dort zuerst nur mit dem Oberleibe: so blickt er lange staunend um sich. | 14 | 61 | 87 | Schicksal Freia | |||||||||||||
Siegfried | Selige Öde auf sonniger Höh’! | 101 | 1 | Weib Abenteuer | |||||||||||||
Er steigt vollends herauf und betrachtet, auf einem Felsensteine des hinteren Abhanges stehend, mit Verwunderung die Szene. Er blickt zur Seite in den Tann und schreitet etwas vor | |||||||||||||||||
Was ruht dort schlummernd im schattigen Tann? | 91 | Walküre | |||||||||||||||
Ein Roß ist’s, rastend in tiefem Schlaf! | 91 | ||||||||||||||||
Langsam näher kommend, hält er verwundert an, als er noch aus einiger Entfernung Brünnhildes Gestalt wahrnimmt | 105 | Wotans Scheidegruss | |||||||||||||||
Was strahlt mir dort entgegen? | 105 | ||||||||||||||||
Welch glänzendes Stahlgeschmeid? | 105 | ||||||||||||||||
Blendet mir noch die Lohe den Blick? | 105 | ||||||||||||||||
Er tritt näher hinzu | 105 | ||||||||||||||||
Helle Waffen! Heb’ ich sie auf? | 105 | ||||||||||||||||
Er hebt den Schild ab und erblickt Brünnhildes Gestalt, während ihr Gesicht jedoch noch zum großen Teil vom Helm verdeckt ist | 105 | ||||||||||||||||
Ha! In Waffen ein Mann: | 105 | ||||||||||||||||
wie mahnt mich wonnig sein Bild! | 105 | ||||||||||||||||
Das hehre Haupt drückt wohl der Helm? | |||||||||||||||||
Leichter würd’ ihm, löst’ ich den Schmuck. | 101 | Weib | |||||||||||||||
Vorsichtig löst er den Helm und hebt ihn der Schlafenden vom Haupte ab: langes lockiges Haar bricht hervor. Siegfried erschrickt | 101 | ||||||||||||||||
Ach! Wie schön! | 101 | ||||||||||||||||
Er bleibt in den Anblick versunken | 101 | ||||||||||||||||
Schimmernde Wolken säumen in Wellen | 101 | ||||||||||||||||
den hellen Himmelssee; | 101 | ||||||||||||||||
leuchtender Sonne lachendes Bild | |||||||||||||||||
strahlt durch das Wogengewölk! | |||||||||||||||||
Er neigt sich tiefer zu der Schlafenden hinab | |||||||||||||||||
Von schwellendem Atem schwingt sich die Brust: | |||||||||||||||||
brech’ ich die engende Brünne? | |||||||||||||||||
Er versucht mit großer Behutsamkeit, die Brünne zu lösen | 91 | Walküre | |||||||||||||||
Komm, mein Schwert, schneide das Eisen! | |||||||||||||||||
Er zieht sein Schwert, durchschneidet mit zarter Vorsicht die Panzerringe zu beiden Seiten der ganzen Rüstung und hebt dann die Brünne und die Schienen ab, so daß nun Brünnhilde in einem weichen weiblichen Gewande vor ihm liegt. Er fährt erschreckt und staunend auf | 38 | 65 | Liebesgluth Schwert | ||||||||||||||
Das ist kein Mann! | 101 | Weib | |||||||||||||||
Er starrt mit höchster Aufgeregtheit auf die Schlafende hin | |||||||||||||||||
Brennender Zauber zückt mir ins Herz; | 38 | Liebesgluth | |||||||||||||||
feurige Angst faßt meine Augen: | 38 | ||||||||||||||||
mir schwankt und schwindelt der Sinn! | 38 | ||||||||||||||||
Er gerät in höchste Beklemmung | 38 | ||||||||||||||||
Wen ruf’ ich zum Heil, daß er mir helfe? | 94 | Wälsungenleid | |||||||||||||||
Mutter! Mutter! Gedenke mein! | 94 | 38 | Liebesgluth | ||||||||||||||
Er sinkt, wie ohnmächtig, an Brünnhildes Busen. Langes Schweigen. Dann fährt er seufzend auf. | |||||||||||||||||
Wie weck’ ich die Maid, | |||||||||||||||||
daß sie ihr Auge mir öffne? | |||||||||||||||||
Das Auge mir öffne? | 40 | Liebesverwirrung | |||||||||||||||
Blende mich auch noch der Blick? | 40 | ||||||||||||||||
Wagt’ es mein Trotz? | 40 | ||||||||||||||||
Ertrüg’ ich das Licht? | 40 | ||||||||||||||||
Mir schwebt und schwankt | 40 | ||||||||||||||||
und schwirrt es umher! | 40 | ||||||||||||||||
Sehrendes Sehnen zehrt meine Sinne; | 40 | ||||||||||||||||
am zagenden Herzen zittert die Hand! | 40 | 87 | Waberlohe | ||||||||||||||
Wie ist mir Feigem? | 40 | ||||||||||||||||
Ist dies das Fürchten? | 40 | ||||||||||||||||
O Mutter! Mutter! Dein mutiges Kind! | 40 | ||||||||||||||||
Im Schlafe liegt eine Frau: | 87 | Waberlohe | |||||||||||||||
die hat ihn das Fürchten gelehrt! | 14 | Freia | |||||||||||||||
Wie end’ ich die Furcht? | |||||||||||||||||
Wie fass’ ich Mut? | |||||||||||||||||
Daß ich selbst erwache, | |||||||||||||||||
muß die Maid ich erwecken! | 38 | 65 | Liebesgluth Schwert | ||||||||||||||
Indem er sich der Schlafenden von neuem nähert, wird er wieder von zarteren Empfindungen an ihren Anblick gefesselt. Er neigt sich tiefer hinab | |||||||||||||||||
Süß erbebt mir ihr blühender Mund. | 101 | Weib | |||||||||||||||
Wie mild erzitternd mich Zagen er reizt! | |||||||||||||||||
Ach! Dieses Atems wonnig warmes Gedüft! | |||||||||||||||||
wie in Verzweiflung | |||||||||||||||||
Erwache! Erwache! Heiliges Weib! | 61 | Schicksal | |||||||||||||||
Er starrt auf sie hin | |||||||||||||||||
Sie hört mich nicht. | |||||||||||||||||
gedehnt mit gepreßtem, drängendem Ausdruck | |||||||||||||||||
So saug’ ich mir Leben | 61 | Schicksal | |||||||||||||||
aus süßesten Lippen, | |||||||||||||||||
sollt’ ich auch sterbend vergehn! | 27 | Hingebung |