| Dritte Szene |
| Brangäne stößt einen grellen Schrei aus. |
Kurwenal | stürzt mit entblößtem Schwerte herein |
| Rette dich, Tristan! |
| Er blickt mit Entsetzen hinter sich in die Szene zurück. Marke, Melot und Hofleute, in Jägertracht, kommen aus dem Baumgange lebhaft nach dem Vordergrunde und halten entsetzt der Gruppe der Liebenden gegenüber an. Brangäne kommt zugleich von der Zinne herab und stürzt auf Isolde zu. Diese, von unwillkürlicher Scham ergriffen, lehnt sich, mit abgewandtem Gesicht, auf die Blumenbank. Tristan, in ebenfalls unwillkürlicher Bewegung, streckt mit dem einen Arm den Mantel breit aus, so daß er Isolde vor den Blicken der Ankommenden verdeckt. In dieser Stellung verbleibt er längere Zeit, unbeweglich den starren Blick auf die Männer gerichtet, die in verschiedener Bewegung die Augen auf ihn heften. Morgendämmerung.
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Tristan | nach längerem Schweigen |
| Der öde Tag |
| zum letztenmal!
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Melot | zu Marke |
| Das sollst du, Herr, mir sagen, |
| ob ich ihn recht verklagt? |
| Das dir zum Pfand ich gab, |
| ob ich mein Haupt gewahrt? |
| Ich zeigt’ ihn dir |
| in offner Tat: |
| Namen und Ehr’ |
| hab’ ich getreu |
| vor Schande dir bewahrt.
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Marke | nach tiefer Erschütterung, mit bebender Stimme |
| Tatest du’s wirklich? |
| Wähnst du das? |
| Sieh ihn dort, |
| den treuesten aller Treuen; |
| blick’ auf ihn, |
| den freundlichsten der Freunde: |
| seiner Treue |
| freister Tat |
| traf mein Herz |
| mit feindlichstem Verrat! |
| Trog mich Tristan, |
| sollt’ ich hoffen, |
| was sein Trügen |
| mir getroffen, |
| sei durch Melots Rat |
| redlich mir bewahrt?
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Tristan | krampfhaft heftig |
| Tagsgespenster! |
| Morgenträume! |
| Täuschend und wüst! |
| Entschwebt! Entweicht!
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Marke | mit tiefer Ergriffenheit |
| Mir dies? |
| Dies, Tristan, mir? – |
| Wohin nun Treue, |
| da Tristan mich betrog? |
| Wohin nun Ehr’ |
| und echte Art, |
| da aller Ehren Hort, |
| da Tristan sie verlor? |
| Die Tristan sich |
| zum Schild erkor, |
| wohin ist Tugend |
| nun entflohn, |
| da meinen Freund sie flieht, |
| da Tristan mich verriet? |
| Tristan senkt langsam den Blick zu Boden; in seinen Mienen ist, während Marke fortfährt, zunehmende Trauer zu lesen. |
| Wozu die Dienste |
| ohne Zahl, |
| der Ehren Ruhm, |
| der Größe Macht, |
| die Marken du gewannst; |
| mußt’ Ehr’ und Ruhm, |
| Größ’ und Macht, |
| mußte die Dienste |
| ohne Zahl |
| dir Markes Schmach bezahlen? |
| Dünkte zu wenig |
| dich sein Dank, |
| daß, was du ihm erworben, |
| Ruhm und Reich, |
| er zu Erb’ und Eigen dir gab? |
| Da kinderlos einst |
| schwand sein Weib, |
| so liebt’ er dich, |
| daß nie aufs neu’ |
| sich Marke wollt’ vermählen. |
| Da alles Volk |
| zu Hof und Land |
| mit Bitt’ und Dräuen |
| in ihn drang, |
| die Königin dem Lande, |
| die Gattin sich zu kiesen; |
| da selber du |
| den Ohm beschworst, |
| des Hofes Wunsch, |
| des Landes Willen |
| gütlich zu erfüllen; |
| in Wehr wider Hof und Land, |
| in Wehr selbst gegen dich, |
| mit List und Güte |
| weigerte er sich, |
| bis, Tristan, du ihm drohtest, |
| für immer zu meiden |
| Hof und Land, |
| würdest du selber |
| nicht entsandt, |
| dem König die Braut zu frein. |
| Da ließ er’s denn so sein. – |
| Dies wundervolle Weib, |
| das mir dein Mut gewann, |
| wer durft’ es sehen, |
| wer es kennen, |
| wer mit Stolze |
| sein es nennen, |
| ohne selig sich zu preisen? |
| Der mein Wille |
| nie zu nahen wagte, |
| der mein Wunsch |
| ehrfurchtscheu entsagte, |
| die so herrlich |
| hold erhaben |
| mir die Seele |
| mußte laben, |
| trotz Feind und Gefahr, |
| die fürstliche Braut |
| brachtest du mir dar. |
| Nun, da durch solchen |
| Besitz mein Herz |
| du fühlsamer schufst |
| als sonst dem Schmerz, |
| dort, wo am weichsten, |
| zart und offen, |
| würd’ ich getroffen, |
| nie zu hoffen, |
| daß je ich könnte gesunden: |
| warum so sehrend, |
| Unseliger, |
| dort nun mich verwunden? |
| Dort mit der Waffe |
| quälendem Gift, |
| das Sinn und Hirn |
| mir sengend versehrt, |
| das mir dem Freund |
| die Treue verwehrt, |
| mein offnes Herz |
| erfüllt mit Verdacht, |
| daß ich nun heimlich |
| in dunkler Nacht |
| den Freund lauschend beschleiche, |
| meiner Ehren Ende erreiche? |
| Die kein Himmel erlöst, |
| warum mir diese Hölle? |
| Die kein Elend sühnt, |
| warum mir diese Schmach? |
| Den unerforschlich tief |
| geheimnisvollen Grund, |
| wer macht der Welt ihn kund? |