| Zweite Szene |
Tristan | in höchster Aufregung auf dem Lager sich mühend |
| O diese Sonne! |
| Ha, dieser Tag! |
| Ha, dieser Wonne |
| sonnigster Tag! |
| Jagendes Blut, |
| jauchzender Mut! |
| Lust ohne Maßen, |
| freudiges Rasen! |
| Auf des Lagers Bann |
| wie sie ertragen? |
| Wohlauf und daran, |
| wo die Herzen schlagen! |
| Tristan der Held, |
| in jubelnder Kraft, |
| hat sich vom Tod |
| emporgerafft! |
| Er richtet sich hoch auf. |
| Mit blutender Wunde |
| bekämpft’ ich einst Morolden, |
| mit blutender Wunde |
| erjag’ ich mir heut Isolden! |
| Er reißt sich den Verband der Wunde auf. |
| Heia, mein Blut! |
| Lustig nun fließe! |
| Er springt vom Lager herab und schwankt vorwärts. |
| Die mir die Wunde |
| auf ewig schließe – |
| sie naht wie ein Held, |
| sie naht mir zum Heil! |
| Vergeh’ die Welt |
| meiner jauchzenden Eil’! |
| Er taumelt nach der Mitte der Bühne.
|
Isolde | von außen |
| Tristan! Geliebter!
|
Tristan | in der furchtbarsten Aufregung |
| Wie, hör’ ich das Licht? |
| Die Leuchte, ha! |
| Die Leuchte verlischt! |
| Zu ihr, zu ihr! |
| Isolde eilt atemlos herein. Tristan, seiner nicht mächtig, stürzt sich ihr schwankend entgegen. In der Mitte der Bühne begegnen sie sich; sie empfängt ihn in ihren Armen. Tristan sinkt langsam in ihren Armen zu Boden.
|
Isolde | Tristan! Ha!
|
Tristan | sterbend zu ihr aufblickend |
| Isolde! |
| Er stirbt.
|
Isolde | Ha! Ich bin’s, ich bin’s, |
| süßester Freund! |
| Auf, noch einmal |
| hör meinen Ruf! |
| Isolde ruft: |
| Isolde kam, |
| mit Tristan treu zu sterben. |
| Bleibst du mir stumm? |
| Nur eine Stunde, |
| nur eine Stunde |
| bleibe mir wach! |
| So bange Tage |
| wachte sie sehnend, |
| um eine Stunde |
| mit dir noch zu wachen: |
| betrügt Isolden, |
| betrügt sie Tristan |
| um dieses einzige, |
| ewig kurze |
| letzte Weltenglück? |
| Die Wunde? Wo? |
| Laß sie mich heilen! |
| Daß wonnig und hehr |
| die Nacht wir teilen; |
| nicht an der Wunde, |
| an der Wunde stirb mir nicht: |
| uns beiden vereint |
| erlösche das Lebenslicht! |
| Gebrochen der Blick! |
| Still das Herz! |
| Nicht eines Atems |
| flücht’ges Wehn! – |
| Muß sie nun jammernd |
| vor dir stehn, |
| die sich wonnig dir zu vermählen |
| mutig kam übers Meer? |
| Zu spät! |
| Trotziger Mann! |
| Strafst du mich so |
| mit härtestem Bann? |
| Ganz ohne Huld |
| meiner Leidens-Schuld? |
| Nicht meine Klagen |
| darf ich dir sagen? |
| Nur einmal, ach! |
| nur einmal noch! – |
| Tristan! – Ha! – |
| Horch! Er wacht! |
| Geliebter! |
| Sie sinkt bewußtlos über der Leiche zusammen. Kurwenal war sogleich hinter Isolde zurückgekommen; sprachlos in furchtbarer Erschütterung hat er dem Auftritte beigewohnt und bewegungslos auf Tristan hingestarrt. Aus der Tiefe hört man jetzt dumpfes Gemurmel und Waffengeklirr. Der Hirt kommt über die Mauer gestiegen. |