Siegmund | in leiser Entzückung | ||||||||||||
Keiner ging – doch einer kam: | |||||||||||||
siehe, der Lenz lacht in den Saal! | |||||||||||||
Siegmund zieht Sieglinde mit sanfter Gewalt zu sich auf das Lager, so daß sie neben ihm zu sitzen kommt. – Wachsende Helligkeit des Mondscheines | |||||||||||||
Winterstürme wichen | 41 | Lenzlied | |||||||||||
dem Wonnemond, | 41 | ||||||||||||
in mildem Lichte leuchtet der Lenz; | 41 | ||||||||||||
auf linden Lüften leicht und lieblich, | |||||||||||||
Wunder webend er sich wiegt; | |||||||||||||
durch Wald und Auen weht sein Atem, | |||||||||||||
weit geöffnet lacht sein Aug’: – | |||||||||||||
aus sel’ger Vöglein Sange süß er tönt, | |||||||||||||
holde Düfte haucht er aus; | |||||||||||||
seinem warmen Blut entblühen wonnige Blumen, | |||||||||||||
Keim und Sproß entspringt seiner Kraft. | |||||||||||||
Mit zarter Waffen Zier bezwingt er die Welt; | |||||||||||||
Winter und Sturm wichen der starken Wehr: | |||||||||||||
wohl mußte den tapfern Streichen | |||||||||||||
die strenge Türe auch weichen, | |||||||||||||
die trotzig und starr uns trennte von ihm. – | |||||||||||||
Zu seiner Schwester schwang er sich her; | 35 | 18 | Liebe Geschwisterliebe | ||||||||||
die Liebe lockte den Lenz: | 35 | ||||||||||||
in unsrem Busen barg sie sich tief; | 35 | ||||||||||||
Siegmund | nun lacht sie selig dem Licht. | ||||||||||||
Die bräutliche Schwester befreite der Bruder; | 35 | Liebe | |||||||||||
zertrümmert liegt, was je sie getrennt: | 35 | ||||||||||||
jauchzend grüßt sich das junge Paar: | |||||||||||||
vereint sind Liebe und Lenz! | 35 | 41 | Liebe Lenzlied | ||||||||||
Sieglinde | Du bist der Lenz, nach dem ich verlangte | 18 | Geschwisterliebe | ||||||||||
in frostigen Winters Frist. | |||||||||||||
Dich grüßte mein Herz mit heiligem Grau’n, | 35 | Liebe | |||||||||||
als dein Blick zuerst mir erblühte. | |||||||||||||
Fremdes nur sah ich von je, | |||||||||||||
freudlos war mir das Nahe. | |||||||||||||
Als hätt’ ich nie es gekannt, war, was immer mir kam. | |||||||||||||
Doch dich kannt’ ich deutlich und klar: | 35 | Liebe | |||||||||||
als mein Auge dich sah, | 35 | ||||||||||||
warst du mein Eigen; | |||||||||||||
was im Busen ich barg, was ich bin, | |||||||||||||
hell wie der Tag taucht’ es mir auf, | |||||||||||||
o wie tönender Schall schlug’s an mein Ohr, | 35 | Liebe | |||||||||||
als in frostig öder Fremde | |||||||||||||
zuerst ich den Freund ersah. | |||||||||||||
Sie hängt sich entzückt an seinen Hals und blickt ihm nahe ins Gesicht | 41 | Lenzlied | |||||||||||
Siegmund | mit Hingerissenheit | ||||||||||||
O süßeste Wonne! | 104 | Wonne | |||||||||||
O seligstes Weib! | |||||||||||||
Sieglinde | dicht an seinen Augen | ||||||||||||
O laß in Nähe zu dir mich neigen, | 104 | Wonne | |||||||||||
daß hell ich schaue den hehren Schein, | 104 | ||||||||||||
der dir aus Aug’ und Antlitz bricht | 104 | ||||||||||||
und so süß die Sinne mir zwingt. | 35 | Liebe | |||||||||||
Siegmund | Im Lenzesmond leuchtest du hell; | 104 | Wonne | ||||||||||
hehr umwebt dich das Wellenhaar: | 104 | ||||||||||||
was mich berückt, errat’ ich nun leicht, | 35 | Liebe | |||||||||||
denn wonnig weidet mein Blick. | 35 | ||||||||||||
Sieglinde | schlägt ihm die Locken von der Stirn zurück und betrachtet ihn staunend | ||||||||||||
Wie dir die Stirn so offen steht, | 104 | Wonne | |||||||||||
der Adern Geäst in den Schläfen sich schlingt! | 104 | ||||||||||||
Mir zagt es vor der Wonne, die mich entzückt! | 104 | ||||||||||||
Ein Wunder will mich gemahnen: | 90 | Walhall | |||||||||||
den heut’ zuerst ich erschaut, | 90 | ||||||||||||
mein Auge sah dich schon! | 90 | ||||||||||||
Siegmund | Ein Minnetraum gemahnt auch mich: | ||||||||||||
in heißem Sehnen sah ich dich schon! | |||||||||||||
Sieglinde | Im Bach erblickt’ ich mein eigen Bild – | ||||||||||||
und jetzt gewahr’ ich es wieder: | 104 | Wonne | |||||||||||
wie einst dem Teich es enttaucht, | 104 | ||||||||||||
bietest mein Bild mir nun du! | 104 | ||||||||||||
Siegmund | Du bist das Bild, | 18 | Geschwisterliebe | ||||||||||
das ich in mir barg. | 18 | ||||||||||||
Sieglinde | den Blick schnell abwendend | 18 | |||||||||||
O still! Laß mich der Stimme lauschen: | 18 | ||||||||||||
mich dünkt, ihren Klang | |||||||||||||
hört’ ich als Kind. | |||||||||||||
aufgeregt | |||||||||||||
Doch nein! Ich hörte sie neulich, | |||||||||||||
als meiner Stimme Schall | 18 | Geschwisterliebe | |||||||||||
mir widerhallte der Wald. | 18 | ||||||||||||
Siegmund | O lieblichste Laute, | 18 | |||||||||||
denen ich lausche! | 35 | Liebe | |||||||||||
Sieglinde | ihm wieder in die Augen spähend | ||||||||||||
Deines Auges Glut erglänzte mir schon: | 65 | 93 | Schwert Wälsungen | ||||||||||
so blickte der Greis grüßend auf mich, | 90 | ||||||||||||
als der Traurigen Trost er gab. | 90 | Walhall | |||||||||||
An dem Blick erkannt’ ihn sein Kind – | 90 | ||||||||||||
schon wollt’ ich beim Namen ihn nennen! | 90 | ||||||||||||
Sie hält inne und fährt dann leise fort | |||||||||||||
Wehwalt heißt du fürwahr? | |||||||||||||
Siegmund | Nicht heiß’ ich so, seit du mich liebst: | ||||||||||||
nun walt’ ich der hehrsten Wonnen! | |||||||||||||
Sieglinde | Und Friedmund darfst du | ||||||||||||
froh dich nicht nennen? | |||||||||||||
Siegmund | Nenne mich du, wie du liebst, daß ich heiße: | ||||||||||||
den Namen nehm’ ich von dir! | |||||||||||||
Sieglinde | Doch nanntest du Wolfe den Vater? | ||||||||||||
Siegmund | Ein Wolf war er feigen Füchsen! | ||||||||||||
Doch dem so stolz strahlte das Auge, | 90 | Walhall | |||||||||||
wie, Herrliche, hehr dir es strahlt, | 90 | ||||||||||||
der war: – Wälse genannt. | |||||||||||||
Sieglinde | außer sich | ||||||||||||
War Wälse dein Vater, und bist du ein Wälsung, | |||||||||||||
stieß er für dich sein Schwert in den Stamm, | |||||||||||||
so laß mich dich heißen, wie ich dich liebe: | |||||||||||||
Siegmund – so nenn’ ich dich! | |||||||||||||
Siegmund | springt auf den Stamm zu und faßt den Schwertgriff | ||||||||||||
Siegmund heiß’ ich und Siegmund bin ich! | 93 | Wälsungen | |||||||||||
Bezeug’ es dies Schwert, das zaglos ich halte! | 65 | Schwert | |||||||||||
Wälse verhieß mir, in höchster Not | 65 | ||||||||||||
fänd’ ich es einst: ich faß’ es nun! | 65 | ||||||||||||
Heiligster Minne höchste Not, | 83 | 6 | Vertrag Entsagung | ||||||||||
sehnender Liebe sehrende Not | 6 | ||||||||||||
brennt mir hell in der Brust, | |||||||||||||
drängt zu Tat und Tod: | |||||||||||||
Notung! Notung! So nenn’ ich dich, Schwert – | 52 | Nothung | |||||||||||
Notung! Notung! Neidlicher Stahl! | 52 | ||||||||||||
Zeig’ deiner Schärfe schneidenden Zahn: | |||||||||||||
heraus aus der Scheide zu mir! | |||||||||||||
Er zieht mit einem gewaltigen Zuck das Schwert aus dem Stamme und zeigt es der von Staunen und Entzücken erfaßten Sieglinde | 65 | Schwert | |||||||||||
Siegmund, den Wälsung, siehst du, Weib! | 93 | Wälsungen | |||||||||||
Als Brautgabe bringt er dies Schwert: | 93 | ||||||||||||
so freit er sich | |||||||||||||
die seligste Frau; | |||||||||||||
dem Feindeshaus entführt er dich so. | |||||||||||||
Fern von hier folge mir nun, | 41 | Lenzlied | |||||||||||
fort in des Lenzes lachendes Haus: | 41 | 65 | Schwert | ||||||||||
dort schützt dich Notung, das Schwert, | |||||||||||||
wenn Siegmund dir liebend erlag! | 35 | Liebe | |||||||||||
Er hat sie umfaßt, um sie mit sich fortzuziehen. | |||||||||||||
Sieglinde | reißt sich in höchster Trunkenheit von ihm los und stellt sich ihm gegenüber | 104 | Wonne | ||||||||||
Bist du Siegmund, den ich hier sehe, | |||||||||||||
Sieglinde bin ich, die dich ersehnt: | |||||||||||||
die eigne Schwester | |||||||||||||
gewannst du zu eins mit dem Schwert! | 35 | Liebe | |||||||||||
Siegmund | Braut und Schwester bist du dem Bruder – | 35 | |||||||||||
so blühe denn, Wälsungen-Blut! | |||||||||||||
Er zieht sie mit wütender Glut an sich; sie sinkt mit einem Schrei an seine Brust. Der Vorhang fällt schnell | 65 | 35 | 99 | Schwert Liebe Wehe |