Zweite Szene | 79 | Unmuth | |||||||||||
Brünnhilde | Schlimm, fürcht’ ich, schloß der Streit, | 79 | |||||||||||
lachte Fricka dem Lose. | 79 | ||||||||||||
Vater, was soll dein Kind erfahren? | 79 | ||||||||||||
Trübe scheinst du und traurig! | 79 | ||||||||||||
Wotan | läßt den Arm machtlos sinken und den Kopf in den Nacken fallen | 79 | |||||||||||
In eigner Fessel fing ich mich: | 79 | ||||||||||||
ich Unfreiester aller! | 79 | ||||||||||||
Brünnhilde | So sah ich dich nie! | ||||||||||||
Was nagt dir das Herz? | |||||||||||||
Wotan | von hier an steigert sich Wotans Ausdruck und Gebärde bis zum furchtbarsten Ausbruch | ||||||||||||
O heilige Schmach! O schmählicher Harm! | 86 | 13 | Verzweiflung Fluch Zorn Entsagung | ||||||||||
Götternot! Götternot! | 107 | ||||||||||||
Endloser Grimm! Ewiger Gram! | 86 | ||||||||||||
Der Traurigste bin ich von allen! | 6 | ||||||||||||
Brünnhilde | wirft erschrocken Schild, Speer und Helm von sich und läßt sich mit besorgter Zutraulichkeit zu Wotans Füßen nieder | ||||||||||||
Vater! Vater! Sage, was ist dir? | |||||||||||||
Wie erschreckst du mit Sorge dein Kind? | |||||||||||||
Vertraue mir! Ich bin dir treu: | |||||||||||||
sieh, Brünnhilde bittet! | |||||||||||||
Sie legt traulich und ängstlich Haupt und Hände ihm auf Knie und Schoß. | 35 | Liebe | |||||||||||
Wotan | blickt ihr lange ins Auge; dann streichelt er ihr mit unwillkürlicher Zärtlichkeit die Locken. Wie aus tiefem Sinnen zu sich kommend, beginnt er endlich sehr leise | ||||||||||||
Lass’ ich’s verlauten, | |||||||||||||
lös’ ich dann nicht meines Willens haltenden Haft? | |||||||||||||
Brünnhilde | ihm ebenso erwidernd | ||||||||||||
Zu Wotans Willen sprichst du, | |||||||||||||
sagst du mir, was du willst; | |||||||||||||
wer bin ich, wär’ ich dein Wille nicht? | |||||||||||||
Wotan | sehr leise | ||||||||||||
Was keinem in Worten ich künde, | |||||||||||||
unausgesprochen bleib’ es denn ewig: | |||||||||||||
mit mir nur rat’ ich, red’ ich zu dir. – | |||||||||||||
mit noch gedämpfterer, schauerlicher Stimme, während er Brünnhilde unverwandt in das Auge blickt | |||||||||||||
Als junger Liebe Lust mir verblich, | 79 | Unmuth | |||||||||||
verlangte nach Macht mein Mut: | |||||||||||||
von jäher Wünsche Wüten gejagt, | |||||||||||||
gewann ich mir die Welt. | |||||||||||||
Unwissend trugvoll, Untreue übt’ ich, | |||||||||||||
band durch Verträge, was Unheil barg: | |||||||||||||
listig verlockte mich Loge, | |||||||||||||
der schweifend nun verschwand. | 79 | Unmuth | |||||||||||
Von der Liebe doch mocht’ ich nicht lassen, | |||||||||||||
in der Macht verlangt’ ich nach Minne. | |||||||||||||
Den Nacht gebar, der bange Nibelung, | |||||||||||||
Alberich, brach ihren Bund; | |||||||||||||
er fluchte der Lieb’ und gewann durch den Fluch | |||||||||||||
des Rheines glänzendes Gold | |||||||||||||
und mit ihm maßlose Macht. | 59 | Ring | |||||||||||
Den Ring, den er schuf, | |||||||||||||
entriß ich ihm listig; | |||||||||||||
doch nicht dem Rhein gab ich ihn zurück: | |||||||||||||
mit ihm bezahlt’ ich Walhalls Zinnen, | |||||||||||||
der Burg, die Riesen mir bauten, | 90 | Walhall | |||||||||||
aus der ich der Welt nun gebot. | |||||||||||||
Die alles weiß, was einstens war, | 8 | Erda | |||||||||||
Erda, die weihlich weiseste Wala, | |||||||||||||
riet mir ab von dem Ring, | |||||||||||||
warnte vor ewigem Ende. | |||||||||||||
Von dem Ende wollt’ ich mehr noch wissen; | |||||||||||||
doch schweigend entschwand mir das Weib... | |||||||||||||
Da verlor ich den leichten Mut, | 79 | Unmuth | |||||||||||
zu wissen begehrt’ es den Gott: | 79 | ||||||||||||
in den Schoß der Welt schwang ich mich hinab, | 79 | ||||||||||||
mit Liebeszauber zwang ich die Wala, | |||||||||||||
stört’ ihres Wissens Stolz, daß sie Rede nun mir stand. | |||||||||||||
Kunde empfing ich von ihr; | |||||||||||||
von mir doch barg sie ein Pfand: | |||||||||||||
der Welt weisestes Weib | |||||||||||||
gebar mir, Brünnhilde, dich. | |||||||||||||
Mit acht Schwestern zog ich dich auf; | |||||||||||||
durch euch Walküren wollt’ ich wenden, | |||||||||||||
was mir die Wala zu fürchten schuf: | |||||||||||||
ein schmähliches Ende der Ew’gen. | |||||||||||||
Daß stark zum Streit uns fände der Feind, | 91 | Walküre | |||||||||||
hieß ich euch Helden mir schaffen: | 91 | ||||||||||||
die herrisch wir sonst | |||||||||||||
in Gesetzen hielten, | |||||||||||||
die Männer, denen den Mut wir gewehrt, | |||||||||||||
die durch trüber Verträge trügende Bande | |||||||||||||
zu blindem Gehorsam wir uns gebunden, | |||||||||||||
die solltet zu Sturm | 91 | Walküre | |||||||||||
und Streit ihr nun stacheln, | 91 | ||||||||||||
ihre Kraft reizen zu rauhem Krieg, | 91 | ||||||||||||
daß kühner Kämpfer Scharen | |||||||||||||
ich sammle in Walhalls Saal! | |||||||||||||
Brünnhilde | Deinen Saal füllten wir weidlich: | 90 | Walhall | ||||||||||
viele schon führt’ ich dir zu. | 90 | ||||||||||||
Was macht dir nun Sorge, da nie wir gesäumt? | |||||||||||||
Wotan | wieder gedämpfter | 8 | Erda | ||||||||||
Ein andres ist’s: | 59 | Ring | |||||||||||
achte es wohl, wes mich die Wala gewarnt! | 59 | ||||||||||||
Durch Alberichs Heer | 59 | ||||||||||||
droht uns das Ende: | |||||||||||||
mit neidischem Grimm grollt mir der Niblung: | |||||||||||||
doch scheu’ ich nun nicht seine nächtigen Scharen, | |||||||||||||
meine Helden schüfen mir Sieg. | |||||||||||||
Nur wenn je den Ring | 59 | Ring | |||||||||||
zurück er gewänne, | 59 | ||||||||||||
dann wäre Walhall verloren: | |||||||||||||
der der Liebe fluchte, er allein | |||||||||||||
nützte neidisch des Ringes Runen | |||||||||||||
zu aller Edlen endloser Schmach: | |||||||||||||
der Helden Mut entwendet’ er mir; | |||||||||||||
die Kühnen selber | |||||||||||||
zwäng’ er zum Kampf; | |||||||||||||
mit ihrer Kraft bekriegte er mich. | |||||||||||||
Sorgend sann ich nun selbst, | 59 | Ring | |||||||||||
den Ring dem Feind zu entreißen. | |||||||||||||
Der Riesen einer, denen ich einst | 58 | Riesen | |||||||||||
mit verfluchtem Gold den Fleiß vergalt: | |||||||||||||
Fafner hütet den Hort, | |||||||||||||
um den er den Bruder gefällt. | |||||||||||||
Ihm müßt’ ich den Reif entringen, | |||||||||||||
den selbst als Zoll ich ihm zahlte. | |||||||||||||
Doch mit dem ich vertrug, | 85 | Vertragstreue | |||||||||||
ihn darf ich nicht treffen; | 85 | ||||||||||||
machtlos vor ihm erläge mein Mut: – | 85 | ||||||||||||
das sind die Bande, die mich binden: | |||||||||||||
der durch Verträge ich Herr, | 83 | Vertrag | |||||||||||
den Verträgen bin ich nun Knecht. | 80 | 79 | Unruhe | ||||||||||
Nur einer könnte, was ich nicht darf: | 80 | 79 | 65 | Schwert | |||||||||
ein Held, dem helfend nie ich mich neigte; | 80 | 79 | Unmuth | ||||||||||
der fremd dem Gotte, frei seiner Gunst, | 80 | 79 | |||||||||||
unbewußt, ohne Geheiß, | 80 | 79 | |||||||||||
aus eigner Not, mit der eignen Wehr | 80 | 79 | |||||||||||
schüfe die Tat, die ich scheuen muß, | 80 | 79 | |||||||||||
die nie mein Rat ihm riet, | 80 | 79 | |||||||||||
wünscht sie auch einzig mein Wunsch! | 80 | 79 | |||||||||||
Der, entgegen dem Gott, für mich föchte, | 80 | 79 | |||||||||||
den freundlichen Feind, wie fände ich ihn? | 80 | 79 | |||||||||||
Wie schüf’ ich den Freien, den nie ich schirmte, | 80 | 79 | |||||||||||
der im eignen Trotze der Trauteste mir? | 80 | 79 | |||||||||||
Wie macht’ ich den andren, der nicht mehr ich, | 80 | 79 | |||||||||||
und aus sich wirkte, was ich nur will? | 80 | 79 | |||||||||||
O göttliche Not! Gräßliche Schmach! | 80 | 79 | |||||||||||
Zum Ekel find’ ich ewig nur mich | 80 | 79 | |||||||||||
in allem, was ich erwirke! | 80 | 79 | |||||||||||
Das andre, das ich ersehne, | 80 | 79 | |||||||||||
das andre erseh’ ich nie: | 80 | 79 | |||||||||||
denn selbst muß der Freie sich schaffen: | 80 | 79 | |||||||||||
Knechte erknet’ ich mir nur! | 80 | 79 |