Zweite Szene | |||||||||||||
Wotan tritt in höchster zorniger Aufgeregtheit aus dem Tann auf und schreitet vor der Gruppe der Walküren auf der Höhe, nach Brünnhilde spähend, heftig einher | |||||||||||||
Wotan | Wo ist Brünnhild’, wo die Verbrecherin? | ||||||||||||
Wagt ihr, die Böse vor mir zu bergen? | |||||||||||||
Acht Walküren | Schrecklich ertost dein Toben! | ||||||||||||
Was taten, Vater, die Töchter, | |||||||||||||
daß sie dich reizten zu rasender Wut? | |||||||||||||
Wotan | Wollt ihr mich höhnen? Hütet euch, Freche! | ||||||||||||
Ich weiß: Brünnhilde bergt ihr vor mir. | |||||||||||||
Weichet von ihr, der ewig Verworfnen, | |||||||||||||
wie ihren Wert von sich sie warf! | 80 | Unruhe | |||||||||||
Roßweiße | Zu uns floh die Verfolgte. | ||||||||||||
Acht Walküren | Unsern Schutz flehte sie an! | ||||||||||||
Mit Furcht und Zagen faßt sie dein Zorn: | |||||||||||||
für die bange Schwester bitten wir nun, | |||||||||||||
daß den ersten Zorn du bezähmst. | |||||||||||||
Laß dich erweichen für sie, zähm deinen Zorn! | |||||||||||||
Wotan | Weichherziges Weibergezücht! | 80 | Unruhe | ||||||||||
So matten Mut gewannt ihr von mir? | |||||||||||||
Erzog ich euch, kühn zum Kampfe zu zieh’n, | |||||||||||||
schuf ich die Herzen | |||||||||||||
euch hart und scharf, | |||||||||||||
daß ihr Wilden nun weint und greint, | |||||||||||||
wenn mein Grimm eine Treulose straft? | |||||||||||||
So wißt denn, Winselnde, was sie verbrach, | 79 | Unmuth | |||||||||||
um die euch Zagen die Zähre entbrennt: | |||||||||||||
Keine wie sie | |||||||||||||
kannte mein innerstes Sinnen; | 79 | Unmuth | |||||||||||
keine wie sie | |||||||||||||
wußte den Quell meines Willens! | 79 | Unmuth | |||||||||||
Sie selbst war | |||||||||||||
meines Wunsches schaffender Schoß: – | 79 | Unmuth | |||||||||||
und so nun brach sie den seligen Bund, | |||||||||||||
daß treulos sie meinem Willen getrotzt, | |||||||||||||
mein herrschend Gebot offen verhöhnt, | |||||||||||||
gegen mich die Waffe gewandt, | |||||||||||||
die mein Wunsch allein ihr schuf! – | |||||||||||||
Hörst du’s, Brünnhilde? Du, der ich Brünne, | |||||||||||||
Helm und Wehr, Wonne und Huld, | |||||||||||||
Namen und Leben verlieh? | |||||||||||||
Hörst du mich Klage erheben, | |||||||||||||
und birgst dich bang dem Kläger, | |||||||||||||
daß feig du der Straf’ entflöhst? | |||||||||||||
Brünnhilde | tritt aus der Schar der Walküren hervor, schreitet demütigen, doch festen Schrittes von der Felsenspitze herab und tritt so in geringer Entfernung vor Wotan | ||||||||||||
Hier bin ich, Vater: gebiete die Strafe! | |||||||||||||
Wotan | Nicht straf’ ich dich erst: | ||||||||||||
deine Strafe schufst du dir selbst. | |||||||||||||
Durch meinen Willen warst du allein: | |||||||||||||
gegen ihn doch hast du gewollt; | |||||||||||||
meinen Befehl nur führtest du aus: | |||||||||||||
gegen ihn doch hast du befohlen; | |||||||||||||
Wunschmaid warst du mir: | |||||||||||||
gegen mich doch hast du gewünscht; | |||||||||||||
Schildmaid warst du mir: | |||||||||||||
gegen mich doch hobst du den Schild; | |||||||||||||
Loskieserin warst du mir: | |||||||||||||
gegen mich doch kiestest du Lose; | |||||||||||||
Heldenreizerin warst du mir: | |||||||||||||
gegen mich doch reiztest du Helden. | |||||||||||||
Was sonst du warst, sagte dir Wotan: | |||||||||||||
was jetzt du bist, das sage dir selbst! | |||||||||||||
Wunschmaid bist du nicht mehr; | |||||||||||||
Walküre bist du gewesen: | |||||||||||||
nun sei fortan, was so du noch bist! | |||||||||||||
Brünnhilde | heftig erschreckend | ||||||||||||
Du verstößest mich? Versteh’ ich den Sinn? | |||||||||||||
Wotan | Nicht send’ ich dich mehr aus Walhall; | ||||||||||||
nicht weis’ ich dir mehr Helden zur Wal; | 76 | Todesklage | |||||||||||
nicht führst du mehr Sieger | 76 | ||||||||||||
in meinen Saal: | 76 | ||||||||||||
bei der Götter trautem Mahle | 76 | ||||||||||||
das Trinkhorn nicht reichst du traulich mir mehr; | 76 | ||||||||||||
nicht kos’ ich dir mehr den kindischen Mund; | |||||||||||||
von göttlicher Schar bist du geschieden, | |||||||||||||
ausgestoßen aus der Ewigen Stamm; | 83 | Vertrag | |||||||||||
gebrochen ist unser Bund; | |||||||||||||
aus meinem Angesicht bist du verbannt. | 83 | Vertrag | |||||||||||
Acht Walküren | verlassen, in aufgeregter Bewegung, ihre Stellung, indem sie sich etwas tiefer herabziehen | ||||||||||||
Wehe! Weh’! | |||||||||||||
Schwester, ach Schwester! | |||||||||||||
Brünnhilde | Nimmst du mir alles, was einst du gabst? | ||||||||||||
Wotan | Der dich zwingt, wird dir’s entziehn! | ||||||||||||
Hieher auf den Berg banne ich dich; | |||||||||||||
in wehrlosen Schlaf schließ’ ich dich fest: | |||||||||||||
der Mann dann fange die Maid, | |||||||||||||
der am Wege sie findet und weckt. | |||||||||||||
Acht Walküren | kommen in höchster Aufregung von der Felsenspitze ganz herab und umgeben in ängstlichen Gruppen Brünnhilde, welche halb kniend vor Wotan liegt | ||||||||||||
Halt’ ein, o Vater! Halt’ ein den Fluch! | |||||||||||||
Soll die Maid verblühn und verbleichen dem Mann? | 76 | Todesklage | |||||||||||
Hör unser Fleh’n! Schrecklicher Gott, | 76 | ||||||||||||
wende von ihr die schreiende Schmach! | 76 | ||||||||||||
Wie die Schwester träfe uns selber der Schimpf! | 76 | ||||||||||||
Wotan | Hörtet ihr nicht, was ich verhängt? | 80 | Unruhe | ||||||||||
Aus eurer Schar ist die treulose Schwester geschieden; | |||||||||||||
mit euch zu Roß durch die Lüfte nicht reitet sie länger; | |||||||||||||
die magdliche Blume verblüht der Maid; | |||||||||||||
ein Gatte gewinnt ihre weibliche Gunst; | |||||||||||||
dem herrischen Manne gehorcht sie fortan; | 83 | Vertrag | |||||||||||
am Herde sitzt sie und spinnt, | 83 | ||||||||||||
aller Spottenden Ziel und Spiel. | |||||||||||||
Brünnhilde sinkt mit einem Schrei zu Boden; die Walküren weichen entsetzt mit heftigem Geräusch von ihrer Seite | 91 | 79 | Walküre Unmuth | ||||||||||
Schreckt euch ihr Los? So flieht die Verlorne! | |||||||||||||
Weichet von ihr und haltet euch fern! | |||||||||||||
Wer von euch wagte bei ihr zu weilen, | |||||||||||||
wer mir zum Trotz | |||||||||||||
zu der Traurigen hielt’ – | |||||||||||||
die Törin teilte ihr Los: | |||||||||||||
das künd’ ich der Kühnen an! | |||||||||||||
Fort jetzt von hier; meidet den Felsen! | 79 | Unmuth | |||||||||||
Hurtig jagt mir von hinnen, | |||||||||||||
sonst erharrt Jammer euch hier! | |||||||||||||
Acht Walküren | Weh! Weh! | ||||||||||||
Die Walküren fahren mit wildem Wehschrei auseinander und stürzen in hastiger Flucht in den Tann. Schwarzes Gewölk lagert sich dicht am Felsenrande: man hört wildes Geräusch im Tann. Ein greller Blitzesglanz bricht in dem Gewölk aus; in ihm erblickt man die Walküren mit verhängtem Zügel, in eine Schar zusammengedrängt, wild davonjagen. Bald legt sich der Sturm; die Gewitterwolken verziehen sich allmählich. In der folgenden Szene bricht, bei endlich ruhigem Wetter, Abenddämmerung ein, der am Schlusse Nacht folgt. | 91 | 60 | 76 | Walküre Ritt Todesklage |