Dritte Szene | |||||||||||||
Wotan und Brünnhilde, die noch zu seinen Füßen hingestreckt liegt, sind allein zurückgeblieben. Langes, feierliches Schweigen: unveränderte Stellung | 79 | 95 | Unmuth Wälsungenliebe | ||||||||||
Brünnhilde | beginnt das Haupt langsam ein wenig zu erheben. Schüchtern beginnend und steigernd | 79 | |||||||||||
War es so schmählich, was ich verbrach, | |||||||||||||
daß mein Verbrechen so schmählich du bestrafst? | |||||||||||||
War es so niedrig, was ich dir tat, | |||||||||||||
daß du so tief mir Erniedrigung schaffst? | |||||||||||||
War es so ehrlos, was ich beging, | |||||||||||||
daß mein Vergehn nun die Ehre mir raubt? | |||||||||||||
Sie erhebt sich allmählich bis zur knienden Stellung | |||||||||||||
O sag’, Vater! Sieh mir ins Auge: | 79 | Unmuth | |||||||||||
schweige den Zorn, zähme die Wut, | 79 | ||||||||||||
und deute mir hell die dunkle Schuld, | |||||||||||||
die mit starrem Trotze dich zwingt, | |||||||||||||
zu verstoßen dein trautestes Kind! | |||||||||||||
Wotan | in unveränderter Stellung, ernst und düster | 79 | Unmuth | ||||||||||
Frag’ deine Tat, sie deutet dir deine Schuld! | |||||||||||||
Brünnhilde | Deinen Befehl führte ich aus. | 91 | Walküre | ||||||||||
Wotan | Befahl ich dir, für den Wälsung zu fechten? | ||||||||||||
Brünnhilde | So hießest du mich als Herrscher der Wal! | ||||||||||||
Wotan | Doch meine Weisung nahm ich wieder zurück! | ||||||||||||
Brünnhilde | Als Fricka den eignen Sinn dir entfremdet; | ||||||||||||
da ihrem Sinn du dich fügtest, | |||||||||||||
warst du selber dir Feind. | |||||||||||||
Wotan | leise und bitter | 79 | Unmuth | ||||||||||
Daß du mich verstanden, wähnt’ ich, | |||||||||||||
und strafte den wissenden Trotz: | 79 | Unmuth | |||||||||||
doch feig und dumm dachtest du mich! | |||||||||||||
So hätt’ ich Verrat nicht zu rächen; | |||||||||||||
zu gering wärst du meinem Grimm? | |||||||||||||
Brünnhilde | Nicht weise bin ich, doch wußt’ ich das eine, | 95 | Wälsungenliebe | ||||||||||
daß den Wälsung du liebtest. | |||||||||||||
Ich wußte den Zwiespalt, der dich zwang, | |||||||||||||
dies eine ganz zu vergessen. | |||||||||||||
Das andre mußtest einzig du sehn, | 79 | Unmuth | |||||||||||
was zu schaun so herb schmerzte dein Herz: | 79 | ||||||||||||
daß Siegmund Schutz du versagtest. | |||||||||||||
Wotan | Du wußtest es so, und wagtest dennoch den Schutz? | ||||||||||||
Brünnhilde | leise beginnend | ||||||||||||
Weil für dich im Auge das eine ich hielt, | |||||||||||||
dem, im Zwange des andren | |||||||||||||
schmerzlich entzweit, | |||||||||||||
ratlos den Rücken du wandtest! | |||||||||||||
Die im Kampfe Wotan den Rücken bewacht, | |||||||||||||
die sah nun das nur, was du nicht sahst: – | |||||||||||||
Siegmund mußt’ ich sehn. | |||||||||||||
Tod kündend trat ich vor ihn, | 76 | Todesklage | |||||||||||
gewahrte sein Auge, hörte sein Wort; | |||||||||||||
ich vernahm des Helden heilige Not; | |||||||||||||
tönend erklang mir des Tapfersten Klage: | |||||||||||||
freiester Liebe furchtbares Leid, | |||||||||||||
traurigsten Mutes mächtigster Trotz! | |||||||||||||
Meinem Ohr erscholl, mein Aug’ erschaute, | |||||||||||||
was tief im Busen das Herz | |||||||||||||
zu heilgem Beben mir traf. | |||||||||||||
Scheu und staunend stand ich in Scham. | |||||||||||||
Ihm nur zu dienen konnt’ ich noch denken: | |||||||||||||
Sieg oder Tod mit Siegmund zu teilen: | |||||||||||||
dies nur erkannt’ ich zu kiesen als Los! – | 79 | Unmuth | |||||||||||
Der diese Liebe mir ins Herz gehaucht, | 95 | Wälsungenliebe | |||||||||||
dem Willen, der dem Wälsung mich gesellt, | 95 | ||||||||||||
ihm innig vertraut, trotzt’ ich deinem Gebot. | 95 | ||||||||||||
Wotan | So tatest du, was so gern zu tun ich begehrt, | 95 | |||||||||||
doch was nicht zu tun die Not zwiefach mich zwang? | |||||||||||||
So leicht wähntest du Wonne des Herzens erworben, | |||||||||||||
wo brennend Weh’ in das Herz mir brach, | |||||||||||||
wo gräßliche Not | |||||||||||||
den Grimm mir schuf, | |||||||||||||
einer Welt zuliebe der Liebe Quell | |||||||||||||
im gequälten Herzen zu hemmen? | |||||||||||||
Wo gegen mich selber | |||||||||||||
ich sehrend mich wandte, | |||||||||||||
aus Ohnmachtschmerzen | |||||||||||||
schäumend ich aufschoß, | |||||||||||||
wütender Sehnsucht sengender Wunsch | |||||||||||||
den schrecklichen Willen mir schuf, | |||||||||||||
in den Trümmern der eignen Welt | |||||||||||||
meine ew’ge Trauer zu enden: – | 6 | 13 | Entsagung Fluch | ||||||||||
da labte süß dich selige Lust; | |||||||||||||
wonniger Rührung üppigen Rausch | |||||||||||||
enttrankst du lachend der Liebe Trank, | |||||||||||||
als mir göttlicher Not nagende Galle gemischt? | |||||||||||||
Deinen leichten Sinn laß dich denn leiten: | |||||||||||||
von mir sagtest du dich los. | 95 | Wälsungenliebe | |||||||||||
Dich muß ich meiden, | |||||||||||||
gemeinsam mit dir | |||||||||||||
nicht darf ich Rat mehr raunen; | |||||||||||||
getrennt, nicht dürfen | |||||||||||||
traut wir mehr schaffen: | |||||||||||||
so weit Leben und Luft | |||||||||||||
darf der Gott dir nicht mehr begegnen! | |||||||||||||
Brünnhilde | Wohl taugte dir nicht die tör’ge Maid, | 95 | Wälsungenliebe | ||||||||||
die staunend im Rate | |||||||||||||
nicht dich verstand, | |||||||||||||
wie mein eigner Rat | |||||||||||||
nur das eine mir riet: | |||||||||||||
zu lieben, was du geliebt. – | |||||||||||||
Muß ich denn scheiden und scheu dich meiden, | |||||||||||||
mußt du spalten, was einst sich umspannt, | |||||||||||||
die eigne Hälfte fern von dir halten, | |||||||||||||
daß sonst sie ganz dir gehörte, | |||||||||||||
du Gott, vergiß das nicht! | |||||||||||||
Dein ewig Teil nicht wirst du entehren, | |||||||||||||
Schande nicht wollen, die dich beschimpft: | |||||||||||||
dich selbst ließest du sinken, | |||||||||||||
sähst du dem Spott mich zum Spiel! | |||||||||||||
Wotan | Du folgtest selig der Liebe Macht: | 35 | Liebe | ||||||||||
folge nun dem, den du lieben mußt! | |||||||||||||
Brünnhilde | Soll ich aus Walhall scheiden, | ||||||||||||
nicht mehr mit dir schaffen und walten, | |||||||||||||
dem herrischen Manne gehorchen fortan: | |||||||||||||
dem feigen Prahler gib mich nicht preis! | |||||||||||||
Nicht wertlos sei er, der mich gewinnt. | |||||||||||||
Wotan | Von Walvater schiedest du – | ||||||||||||
nicht wählen darf er für dich. | |||||||||||||
Brünnhilde | leise mit vertraulicher Heimlichkeit | ||||||||||||
Du zeugtest ein edles Geschlecht; | 93 | Wälsungen | |||||||||||
kein Zager kann je ihm entschlagen: | |||||||||||||
der weihlichste Held – ich weiß es – | 67 | Siegfried | |||||||||||
entblüht dem Wälsungenstamm. | 67 | ||||||||||||
Wotan | Schweig’ von dem Wälsungenstamm! | ||||||||||||
Von dir geschieden, schied ich von ihm: | |||||||||||||
vernichten mußt’ ihn der Neid! | |||||||||||||
Brünnhilde | Die von dir sich riß, rettete ihn. | ||||||||||||
heimlich | |||||||||||||
Sieglinde hegt die heiligste Frucht; | 67 | Siegfried | |||||||||||
in Schmerz und Leid, wie kein Weib sie gelitten, | |||||||||||||
wird sie gebären, | |||||||||||||
was bang sie birgt. | |||||||||||||
Wotan | Nie suche bei mir Schutz für die Frau, | ||||||||||||
noch für ihres Schoßes Frucht! | |||||||||||||
Brünnhilde | heimlich | ||||||||||||
Sie wahret das Schwert, das du Siegmund schufest. | 65 | Schwert | |||||||||||
Wotan | heftig | ||||||||||||
Und das ich ihm in Stücken schlug! | |||||||||||||
Nicht streb’, o Maid, den Mut mir zu stören; | 61 | Schicksal | |||||||||||
erwarte dein Los, wie sich’s dir wirft; | |||||||||||||
nicht kiesen kann ich es dir! | 61 | Schicksal | |||||||||||
Doch fort muß ich jetzt, fern mich verziehn; | |||||||||||||
zuviel schon zögert’ ich hier; | |||||||||||||
von der Abwendigen wend’ ich mich ab; | |||||||||||||
nicht wissen darf ich, was sie sich wünscht: | |||||||||||||
die Strafe nur muß vollstreckt ich sehn! |